Pfeif drauf

22. Februar 2012 Rosemarie Schmitt
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Als sie eine junge Frau war, schenkte ihr der Bruder eine Flöte, doch diese eine Pfeife reichte der jungen Dame nicht, so gab sie keine Ruhe bis sie eines Tages Dutzende davon hatte, und so verrückt nach diesen Pfeifentönen war, daß sie diese alle zur gleichen Zeit spielte, was bei einer Orgel, genaugenommen, indes nicht unüblich ist.

Der ihr diese erste Flöte schenkte, war bereits ihr großer Bruder als er noch klein war, und lange bevor er für alle der Große war, Friedrich der Große. Die kleine Anna Amalia liebte die Musik so sehr, daß sie das Vorhaben niemals aufgab, selbst welche zu machen. So folgte den Flötentönen, die ihr Bruder Friedrich ihr beizubringen versuchte, eine Violine. Aus jener Zeit war damals, und ist auch bis heute, nicht viel Gutes zu hören, obwohl, oder vielleicht eben weil es Anna Amalia an Enthusiasmus und Selbstsicherheit nicht mangelte.

"Ich vollbringe Wunder für mich! Ich werde die Grauns, Hasse und Bendas sicherlich mit meinem Violinspiel übertreffen. Mein Strich mit dem Bogen ist so leicht und sanft, daß die Maupertius (ihre Hofmeisterin) sich die Ohren zuhält und mir schwört, daß ich sie bis auf den Grund ihrer Eingeweide quäle" (zitiert nach Debuch), so äußerte sich Anna Amalia gegenüber ihrer Schwägerin. Doch vermute ich, die junge Geigerin war sich durchaus ihrer Talentfreiheit bewußt und düpierte mit solchen Aussagen andere und sich selbst, nach Strich und Bogen.

Anna Amalia wechselte alsbald die Saiten und die Instrumentengattung. Nun galt es in die Tasten zu hauen und dem Klavier ihre Aufwartung zu machen. Aber von wegen Piano! So schrieb ihre Schwester Ulrike an ihren Bruder: "Meine Schwester Amalie war den ganzen Tag am Klavier, und das ist mir oft auf die Nerven gegangen (…)" Ja, wir ahnen bereits, wie fleißig und konsequent die junge Musikerin zu Üben imstande gewesen sein könnte...

Doch schien es, als habe sie sich dem Instrument, welches ihr und den Zuhörern am ehesten behagen sollte, nun endlich genähert. Am Piano war die Prinzessin zwar nicht leise, doch schon recht erfolgreich. So begann Anna Amalia sich an "ihr" Instrument "heran-zu-tasten" und kam ihrem Ziel immer näher, und ich für heute endlich zum Punkt, und jener Punkt ist die CD: "Die Orgel der Prinzessin Anna Amalia von Preussen" (Chrystal-Classics, ein Produkt von Delta-Musik im Vertrieb von Q-rious).

1755 wurde für Anna Amalia, Prinzessin von Preußen, eine Hausorgel gebaut. Ursprünglich für das Balkonzimmer gedacht und im Berliner Stadtschloß aufgestellt, fand jenes wunderbare Instrument schließlich 1956 sein Zuhause in der Pfarrkirche "Zur frohen Botschaft" in der Berliner Gemeinde Karlshorst. Seit 1960 ist die "Amalien-Orgel" wieder spielbar. Ob sie selbst alle Register zog (20 an der Zahl) ist mir nicht bekannt, doch wäre sie nicht Anna Amalia, Prinzessin von Preussen und Schwester des "Großen" hätte sie es nicht wenigstens versucht.

Mehr als dreißig Jahre spielte der im September 2001 verstorbene Roland Münch Amalias Orgel. Diese Einspielung von Chrystal-Classics aus dem Jahre 1986 ist ein Genuß und zugleich eine Dokumentation wie gut Münch dieses Instrument kannte und wie vertraut ihm „Amalia“ gewesen ist. Machen auch Sie sich vertraut mit der Musik, die diese Prinzessin so sehr liebte. Seien es Kompositionen von Anna Amalias Zeitgenossen Carl Philipp Emanuel oder Wilhelm Friedemann Bach und Johann Philipp Kirnberger, oder die Orgelliebhaber und Komponisten des darauf folgenden Jahrhunderts Adalbert Überlée, August Haupt, Friedrich Kiel oder Otto Dienel, diese Orgel scheint auf ihr Alter zu pfeifen und weiß damals wie heute mit ihrem Klang zu beeindrucken!

Ernst Marx, Orgelbauer zu Berlin (der gemeinsam mit Johann Peter Migendt jene Orgel baute), beschrieb im Jahre 1783 Amalias Orgel: "Disposition der Orgel vor Ihro Königl. Hoheit Prinzessin von Preußen Amalia, welche zu Berlin auf den Königl. Schloß in Anno 1755 von mir ist erbauet worden (...) Die Structur ist sehr schön bearbeitet; Auf den obern Pfeiffen Thurm sizt die Göttin der Music, mit vielen Instrumenten umgeben; Alles ist starck vergoldet…" (sic)

Anna Amalia war vielleicht keine Göttin der Musik, doch sie liebte jene Orgel mit ihren Pfeifen! Apropos Orgelpfeifen: Anna Amalia blieb ehe- und kinderlos, hinterließ jedoch mit ihrer Musikaliensammlung einen Schatz von unvorstellbarem Wert, und eine wundervolle Orgel. Am 30.März jährt sich ihr Todestag zum 225. Mal.

Herzlichst,
Ihre Rosemarie Schmitt

Wann genau starb der Organist Roland Münch?
Sie kennen die Antwort? Dann senden Sie mir diese an folgende Mail-Adresse: klassik@habmalnefrage.de. Unter den Einsendern der richtigen Lösung wird der Gewinner der CD "Die Orgel der Prinzessin Anna Amalia von Preussen" sein.