Sind wir nicht alle ein bischen dada ?

29. Februar 2012 Rosemarie Schmitt
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Was dieser Erwin so alles machte! So etwa beteiligte er sich daran, alle vorhandene Kunst künstlich in Frage zu stellen, unterstützte die Ansammlungen von Unsinn, amüsierte sich über völlig sinnfreie Lautgedichte, besuchte Geräuschkonzerte und so einiges mehr. Hauptsache war, es provozierte und brachte Menschen dazu, nachzudenken und Dinge zu hinterfragen.

Sie war ganz schön dada, jene Zeit des Dadaismus, die sich 1916 ihren Platz schuf. Und wer hat’s erfunden? Ganz genau: die Schweizer! Derzeit versucht man uns mit dem Gagaismus in ähnlicher Weise zu provozieren, aber wo Dada einst wach zu rüttelten versuchte, vermag Gaga lediglich zu nerven.

So trug also der Ismus just die ersten Blüten, als sich ihm die Esken hinzu gesellten, die Grot- Burl- Humor- Arab- und auch Pittoresken. Allesamt sehr tänzerisch und nett verspielt. Und wer hat sie "erfunden"? Ganz genau! Kein Schweizer, sondern der damals Anfang-20-jährige tschechische Komponist Erwin Schulhoff, der während seines kurzen doch inhaltsreichen Lebens einige Facetten offenbarte. So etwa komponierte er zum 50. Todestag von Karl Marx (am 14. März 1933) die dreizehnstimmige Chorkantate "Das kommunistische Manifest" mit dem Untertitel "Manifest nach Marx-Engels" für Soli, Kinderchor, gemischten Doppelchor und Orchester, um die es mir heute jedoch nicht geht. Vielmehr möchte ich Ihnen eine CD mit Klavierwerken von Erwin Schulhoff vorstellen, denn diese Aufnahme von CHRYSTAL-Classics (Vertrieb: Q-rious!) aus der Serie Piano-Raritäten ist besonders, vielfältig, beeindruckend und ganz sicher auch ein Fest und eine Rarität.

Sie sind schon sehr speziell, diese beiden Klaviersonaten. Zum einen die Sonate Nr. 1, die Schulhoff 1924 "Thomas Mann zu eigen" schrieb. Und da ich Thomas Mann (1875-1955) nicht ganz besonders mag, und Schulhoff sie "offenhörlich" Mann sehr zu eigen schrieb, mag ich diese Sonate mit ihren clusterhaften Akkorden und ihrer Härte ebenso nicht besonders. Zum anderen die Sonate Nr. 2 "á Henri Gil-Marchex". Henri Gil-Marchex (1894-1970) war ein französischer Komponist und Pianist, dessen musikalischer Weg ihn insbesondere gerne nach Japan führte, was mir wiederum spanisch vorkommt, ebenso wie diese Sonate, die Schulhoff ihm widmete.

Aber dann, dann hörte ich diese, seine Jazzimprovisationen für 2 Klaviere, die weder/noch sind, also weder dada noch gaga, weder clusterhaft noch spanisch, und schon gar nicht hart! Schulhoff komponierte sie in den 1930er Jahren und Margarete Babinsky und Andreas Wykydal spielten sie 2012 ein. Erwin Schulhoff und sein Klavierpartner Oldrich Letfuf (ich habe mir diesen Namen nicht ausgedacht!) waren im November des Jahres 1930 zum ersten Mal als Jazz-Klavierduo im Radio zu hören. 1931 hörte man sie dann regelmäßig einmal im Monat und zwar nach 22 Uhr (sind oder waren Jazzklänge womöglich jugendgefährdend?). Beliebt schienen sie auf jeden Fall zu sein, wie alles Gefährdende, denn fortan wurde ihre Musik alle vierzehn Tage übertragen und später sogar auch an Vormittagen! Ob Schulhoff sich der heiklen Wirkung seiner Jazzkompositionen bewußt war, oder ob es einen anderen Grund hatte, weshalb er diese unter dem Pseudonym Hanus Petr veröffentlichte, entzieht sich, wie so manches, meiner Kenntnis.

Seit 1919 schrieb Schulhoff immer mal wieder improvisatorische Stücke, ohne Punkt und Komma, also ohne Taktstrich und in meist sehr herber Atonalität, was mir wiederum ziemlich gegen den Strich geht, ich erlaube mir diese, vielleicht taktlose Anmerkung. Nun, man mag es oder eben nicht, was meines Erachtens keiner Rechtfertigung bedarf, denn Musik trifft vielmehr mein Gefühl als meinen Verstand. Und diese 8 Improvisationen treffen mitten hinein, in mein Wohl-Gefühl! Ich liebe diese außerordentlich unterhaltsamen Jazz-Improvisationen und die Art wie Babinsky & Wykydal diese interpretieren!

Wie ist der Name des Klavierpartners von Erwin Schulhoff, mit dem er regelmäßig und gemeinsam im Rundfunk zu hören war? Wenn Sie mir diese Frage per Mail an klassik@habmalnefrage.de bis zum kommenden Mittwoch richtig beantworten, könnten Sie der Gewinner dieser Aufnahme sein.

Herzlichst,
Ihre Rosemarie Schmitt