Neue Filme von den Coens, Aronofsky und Petzold bei der Biennale von Venedig

26. August 2008
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Nicht ganz so gespickt mit Starregisseuren, aber doch eindrucksvoll liest sich das Line-up für das 65. Filmfestival von Venedig (27.8. – 6.9.). Zahlenmäßig dominierend wieder einmal die Amerikaner, Asien ist dagegen nur mit drei Japanern und einer internationalen Koproduktion vertreten.

Jeder Produzent und Filmregisseur will seinen Film zunächst einmal ins Programm des Filmfestivals von Cannes bringen. Gelingt das nicht oder wird das Werk dafür nicht fertig, geht man gern auch in die italienische Lagunenstadt. Eindeutig dritte Wahl sind dagegen die nur kurz vorher beziehungsweise nachher stattfindenden Festivals von Locarno und San Sebastian, die mit dem vorlieb nehmen müssen, was Venedig übrig lässt.

Diskussionen gab es schon kurz vor Bekanntgabe des Programms, weil ein ganz Großer des modernen Kinos seinen neuen Film aus Venedig zurückzog: Weil das Festival Theo Angelopoulos für "Dust of Time" nicht bestimmte Vorführtermine zusichern konnte oder wollte, lehnte der Grieche die Präsentation seines neuesten Films in Venedig ab. Angesichts der Dichte der großen Namen dürfte das Festival das eher verkraften als Angelopoulos die ihm dadurch entgehende Medienpräsenz.

Eröffnet wird beispielsweise gleich mit dem neuen Film der Coens, deren Marktwert durch "No Country for Old Men" beträchtlich gestiegen ist. Mit "Burn After Reading" legen die Regie-Brüder eine mit George Clooney, Brad Pitt, Frances McDormand, John Malkovich und Tilda Swinton hochkarätig besetzte Spionage-Komödie vor, die gleich zu Beginn des Festivals für großen Rummel sorgen wird.

Läuft der Film der Coens außer Wettbewerb, so geben auch im Kampf um den Goldenen Löwen die Amerikaner (wieder einmal) zumindest zahlenmäßig den Ton an. Darren Aronofsky, der zuletzt mit "The Fountain" nicht nur am Lido grandios baden ging, tritt mit "The Wrestler" an, die einst gefeierte Genre-Regisseurin Kathryn Bigelow hofft mit "Hurt Locker" auf ein Comeback und Jonathan Demme bringt die Komödie "Rachel Getting Married" nach Venedig. Im Gefolge der Filme und ihrer Regisseure ist freilich auch mit einem Auflauf der mitwirkenden Stars wie Mickey Rourke und Marisa Tomei ("The Wrestler"), Ralph Fiennes ("Hurt Locker") oder Anne Hathaway und Debra Winger ("Rachel Getting Married") zu rechnen.

Aus den USA kommen dazu noch das mit Charlize Theron und Kim Basinger ebenfalls prominent besetzte Regiedebüt "The Burning Plain" von Guillermo Arriaga, der sich bisher als Drehbuchautor von "Amores Perros", "21 Gramm" und "Babel" einen Namen gemacht hat sowie "Vegas: Based on a True Story" des gebürtigen Iraners Amir Naderi.

Mit vier Filmen im Wettbewerb gewohnt stark vertreten sind bei ihrem Heimatfestival die Italiener, doch wirklich Herausragendes darf man wohl weder von Pupi Avati ("Il papá di Giovanna") noch von Ferzan Özpetek ("Un giorno perfetto") erwarten und ob die beiden anderen No-Names für die große Sensation sorgen werden, darf schon vorab bezweifelt werden.

Mehr zuzutrauen ist da sicherlich Christian Petzold, der bei "Jerichow" wie schon in "Wolfsburg" wieder mit Nina Hoss und Benno Fürmann zusammenarbeitete. Mit Werner Schroeter ("Nuit de chien") geht zudem noch ein weiterer deutscher Regisseur ins Rennen um den Löwen, allerdings einer, von dem man schon viele Jahre nichts mehr gehört hat.

Meldet sich mit dem Äthiopier Haile Gerima ("Teza") ein weiterer Filmregisseur nach langen Jahren des Schweigens zurück, so sind die letzten Werke des Japaners Hayao Miyazaki ("Chihiros Reise ins Zauberland", "Das wandelnde Schloss") noch in bester Erinnerung. Miyazaki sorgt aber nicht für den einzigen Animationsfilm im Wettbewerb ("Ponyo on Cliff by the Sea"), da auch sein Landsmann Mamoru Oshii mit "The Sky Crawlers" vom Team um Festivalleiter Marco Müller eingeladen wurde. Für den einzigen Realfilm aus Japan sorgt somit der frühere Venedig-Sieger Takeshi Kitano mit "Achilles and the Tortoise". – Auffallend ist allerdings angesichts der Tatsache, dass Marco Müller Sinologe ist, lange in China gelebt hat und über beste Kontakte zum asiatischen Kino verfügt, dass sich daneben mit der internationalen Koproduktion "Dangkou" ("Plastic City") nur ein einziger weiterer asiatischer Film im Wettbewerb findet.

Wird das Wettbewerbsprogramm durch Barbet Schroeder ("Inju, la bête dans l´ombre"), den Russen Aleksey German Jr. ("Bumaznyj soldat" – "Paper Soldier") sowie einige noch unbekannte Regisseure wie den Türken Semih Kaplanoglu ("Süt") und den Algerier Tariq Teguia ("Gabbla" - "Inland") abgerundet, so laufen außer Wettbewerb mit Claire Denis "35 Rhums", Agnés Vardas "Les plages d´Agnès" und Abbas Kiarostamis "Shirin" zumindest drei Filme, von denen man aufregendes innovatives Kino erwarten darf. Dafür sollte auch die Reihe "Orizzonte" sorgen, in der nicht nur vom Namen her, sondern auch mit einer Länge von 450 Minuten der Philippino Lav Diaz mit "Melancholia" herausragt. – Ob die Namen freilich halten, was sie versprechen, wird sich erst zeigen.