Prächtige Bilder, aber uninspirierte Inszenierung zur Eröffnung

7. August 2008
Bildteil

Mit der Evelyn-Waugh-Verfilmung "Brideshead Revisited" wurde das 61. Filmfestival von Locarno (6. – 16.8.) gestern abend eröffnet. – Um leidenschaftliche Liebe und durch den Katholizismus der Familie gesetzte Grenzen geht es in diesem um 1930 in der britischen Upper-Class spielenden Drama, wirklich zu packen vermag Julian Jarrolds Kostümfilm den Zuschauer aber nicht.

Die beiden britischen Regisseure Joe Wright und Julian Jarrold scheinen gewissermaßen im Gleichschritt zu drehen. Auf Wrights Jane Austen Verfilmung "Pride and Prejudice" ließ Jarrold mit "Becoming Jane" eine fiktive Geschichte über die Jugend der Autorin folgen, die sich an ihrem berühmten Roman orientiert. Und auf Wrights "Atonement" antwortet Jarrold nun mit "Brideshead Revisited".

Denn wie "Atonement" spielt auch diese Evelyn-Waugh-Verfilmung, die schon Anfang der 80er Jahre als Mini-Serie fürs TV verfilmt wurde ("Wiedersehen in Brideshead"), in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts und nimmt die britische Upper-Class unter die Lupe. Weniger auf Standesdünkel als vielmehr einen extremen Katholizismus stößt aber der junge atheistische Charles auf dem großartigen Landsitz der Flytes. Den homosexuellen Sohn des Hauses hatte Charles beim Studium in Oxford kennen gelernt. Nun nimmt Sebastian ihn mit ins elterliche Schloss, wo Charles nicht nur auf Sebastians Schwester Julia, sondern neben Rosenkranz, Madonnenbild und Hauskapelle auch auf die erzkatholische Mutter trifft.

Eine Dreiecksgeschichte zwischen Charles, Julia und Sebastian entwickelt sich bald, doch die Mutter verbietet jede Verbindung zwischen dem ungläubigen Charles und ihrer Tochter und verbannt Charles vom Landsitz, während Sebastian, der sich von seinem Freund hintergangen fühlt, nach Marokko flüchtet. – Ein Wiedersehen der unglücklich Verliebten ist freilich – wie der Titel schon andeutet – vorprogrammiert.

Die Bilder sind so perfekt arrangiert wie sich der Landsitz der Flutes präsentiert. An Licht und Farben, an Kostümen und Ausstattung lässt sich so wenig aussetzen wie an den schauspielerischen Leistungen und den geschliffenen Dialogen. Und doch versteht es Jarrold einerseits nicht wirklich die Emotionen der Figuren auch auf den Zuschauer zu übertragen, scheut andererseits aber auch vor bösem Witz, mit dem Robert Altman sein zeitgleich spielendes Gesellschaftsdrama "Gosford Park" so lustvoll versetzte, vermissen.

Flügellahm wirkt dieser Kostümfilm in seiner uninspirierten Inszenierung. Groß ist das Thema vom Zerbrechen einer leidenschaftlichen und reinen Liebe an familiären und in diesem Fall religiösen Zwängen, groß auch das Thema von der lebenslangen Prägung eines Menschen durch die Erziehung, doch Jarrold weiß daraus nur wenig Kapital zu schlagen. Die Kritik am Katholizismus liebt zwar auf der Hand, aber wie vieles andere wird sie mehr behauptet als wirklich erfahrbar. Die doppelte Klammer mit zwei ineinander verschachtelten Rückblenden wird dramaturgisch nicht wirklich genützt, die Anspielungen auf "Titanic" in den Szenen auf dem Ozeandampfer so überflüssig wie eine selbstverliebte inszenatorische Spielereien – So bleibt "Brideshead Revisited" auf der Ebene eines schönen Bilderbogens stecken, an Verdichtung seiner Motive und emotionaler Kraft fehlt es diesem Kostumfilm der zweiten Liga, der niemand verärgern, aber auch niemand begeistern wird, aber entschieden.

Ungleich mitreißender und bewegender war da schon am Abend vor Festivalbeginn – sozusagen als Probe für die Kinoanlage der Piazza Grande - Stephen Walkers "Young @ Heart", in dem der britische Dokumentarfilmer einen amerikanischen Rentnerchor mit einem Durchschnittsalter von 80 Jahren porträtiert. – Nah dran an den SängerInnen, deren Proben zu einem Konzert Walker über sieben Wochen mit der Kamera begleitete, ist der Film und auch ihre Coverversionen vom Clash-Hit "Should I Stay Or Should I Go?" bis zu Bob Dylans "Forever Young" kommen in diesem hinreißenden und mutmachenden Appell an ein lustvolles und ausgefülltes Leben auch im Alter nicht zu kurz. Dass es allerdings auch den Tod gibt, verschweigt Walker nicht.