Im Schatten der Großen - Das 58. Filmfestival von San Sebastian

17. September 2010
Bildteil

Das 58. Filmfestival von San Sebastian/Donostia (17. – 25.9.) liegt nicht nur geographisch am Rand Europas, sondern kann auch hinsichtlich klingender Namen nicht ganz mit Cannes und Venedig mithalten. Neben der gewohnt starken spanischen Präsenz darf man aber auch auf neue Filme von Bent Hamer, John Sayles, Peter Mullan und Naomi Kawase gespannt sein.

Eröffnet wird das Festival mit einem historischen Film des Mexikaner Felipe Cazals, einem Altmeister des lateinamerikanischen Kinos, der 1976 bei der Berlinale mit "Canoa" den Silbernen Bär gewonnen hat. In "Chicogrande" erzählt Cazals von einem Anhänger des 1923 bei einem Attentat ermordeten mexikanischen Volkshelden Pancho Villa. Ein weiterer lateinamerikanischer Wettbewerbsbeitrag ist "Cerro Bayo" von Victoria Galardi. Die Argentinierin schildert in diesem in einem patagonischen Dorf spielenden Drama, wie sich das Leben der Familienmitglieder durch den Selbstmordversuch der Mutter ändert.

Unter den vier spanischen Konkurrenten um die "Goldene Muschel" sticht von den Namen her vielleicht am stärksten "Pa negre – Black Bread" von Agusti Villaronga heraus. Villaronga, der vor knapp 25 Jahren mit dem vor kurzem von Bildstörung auf DVD herausgegegebenen düsteren "Im Glaskäfig" für Aufsehen sorgte, entführt in seinem neuen Film in das ländliche Nachkriegs-Katalonien: Ein Junge versucht seinen Vater vom Verdacht des Doppelmords zu befreien und stößt dabei auf das Lügengeflecht der Erwachsenen.

Ein spanisch-amerikanisches Thema behandelt John Sayles in "Amigo", der kurz nach dem spanisch-amerikanischen Krieg von 1898 auf den Philippinen spielt. Spanien musste nach der Niederlage diese Inseln abtreten, die USA übernahmen die Herrschaft, was zu Auseinandersetzungen führte. Sayles setzt damit seine Reihe an Filmen fort, mit denen er Gesellschaft und Geographie der USA gewissermaßen vermisst, dringt nach der Erkundung von Texas in "Lone Star", von Alaska in "Limbo" oder von Florida in "Sunshine State" nun zu einer einstmals überseeischen Besitzung vor.

Für knochentrocken Skurriles bekannt ist dagegen der Norweger Bent Hamer, der in "Home for Christmas". Der Pressemitteilung nach soll es sich dabei um eine moderne Weihnachtsgeschichte handeln, in deren Mittelpunkt eine breit gestreute Gruppe von Charakteren und die Frage des Zusammenlebens steht, das hier in vielfältigsten Aspekten erkundet wird.

Hochpoetisches ist von der Japanerin Naomi Kawase zu erwarten, in deren "Genpin" der Arzt Tadashi Yoshimura über den Zusammenhang von Geburt und Tod reflektiert. Für harten Realismus ist dagegen der Brite Peter Mullan seit seinem preisgekrönten Debüt "The Magdalene Sisters" bekannt. In seinem zweiten Spielfilm "Neds" erzählt Mullan von einem Jungen, der in den frühen 1970er Jahren in Glasgow in schwierigen sozialen Verhältnissen aufwächst und schließlich in Kontakt mit einer brutalen Jugendgang kommt.

Mit den Altstars Senta Berger und Bruno Ganz besetzt ist Sophie Heldmans Debüt "Satte Farben vor Schwarz". Heldman erzählt darin von einem Paar, das gemeinsam alt geworden ist. Als der Mann tödlich erkrankt, verschweigt er diesen Umstand seiner Familie. Nur seine Frau weiß davon.

Hochkarätig besetzt ist auch Ryan Muryphys "Eat Pray Love", der außer Konkurrenz gezeigt wird. Julia Roberts, die in San Sebastian den Ehrenpreis Premio Donostia erhalten wird, führt bei dieser Bestsellerverfilmung um eine Frau, deren Weltreise zu einer Reise zu sich selbst wird, einen Cast an, zu dem unter anderem Billy Crudup und Javier Bardem gehören.

Wie jedes Festival besteht aber auch das von San Sebastian nicht nur aus dem Wettbewerb, sondern wartet noch mit attraktiven Nebenreihen auf. So verstehen sich die "Zabaltegi Pearls" als ein "Best of" der anderen Festivals. Der Berlinale-Sieger "Bal – Honey" läuft in dieser Reihe ebenso wie die Cannes-Teilnehmer "Carancho" und "Poetry".

Die "Horizontes Latinos" bringen elf neue lateinamerikanische Produktionen in den grandiosen Filmtheatern der baskischen Atlantikstadt zusammen und mit 19 Filmen in der Reihe "Made in Spain" kann man sich einen Überblick über das aktuelle spanische Kino verschaffen.

Dem ganz jungen Kino widmet sich die Sparte "Zabaltegi – New Directors", in der 15 erste und zweite Spielfilme konkurrieren, während in zwei großen Retrospektiven die Filmgeschichte gepflegt wird: Action-Regisseur Don Siegel kommt hier ebenso zu Ehren wie der "Neue Dokumentarfilm", dem sich die thematische Retrospektive unter dem Titel ".doc – New paths of non-fiction" widmet.