Cannes 2011: Große Namen - auch in den Nebenreihen

11. Mai 2011
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Dass das Line-Up des Filmfestivals von Cannes (11. bis 22. Mai 2011) im Wettbewerb mit Starregisseuren aufwartet – heuer unter anderem mit Terrence Malick, Lars von Trier und Aki Kaurismäki – ist nichts Neues. Unglaublich hochkarätig besetzt sind bei der 64. Auflage des Glamour-Festivals an der Côte d´Azur in diesem Jahr aber auch die Nebenreihen.

Ein Großteil von den hinsichtlich des Programms des 64. Filmfestivals von Cannes schon angestellten Spekulationen ist eingetroffen, manches kam anders. Auf Nummer sicher geht man an der Côte d`Azur mit der Eröffnung mit Woody Allens "Midnight in Paris", einen hochspannenden Mix darf man dann aber vom Wettbewerb erwarten.

Da sind zunächst einmal mit Terrence Malicks "The Tree of Life" und Lars von Triers "Melancholia" zwei Filme angesagt, deren Trailer ("The Tree of Life", "Melancholia") die Erwartungen nochmals in die Höhe schrauben. Gespannt sein darf man aber auf jeden Fall auch, wie die Dardenne-Brüder, die sich schon in "Le silence de Lorna" von ihren Wurzeln entfernten, in "Le gamin au vélo" ihren Weg weitergehen. An einen Endpunkt kam Aki Kaurismäki bei seinem letzten Film "Lichter der Vorstadt", legte eine fünfjährige Pause ein und meldet sich nun mit "Le Havre" zurück. Ganz neu ansetzen musste wohl auch der Italiener Paolo Sorrentino ("Il Divo"), der bei "This Must Be the Place" erstmals auf Englisch und mit dem Hollywoodstar Sean Penn drehte.

Während man von Pedro Almodóvars "La piel que habito" und Nuri Bilge Ceylans "Once upon a Time in Anatolia" sich zwar gerne überraschen lassen wird, im Grunde aber doch eher das bei diesen Autoren Gewohnte zu erwarten ist, und Nanni Morettis "Habemus Papam" beim Italienstart nicht gerade Euphorie auslöste, schaut die Sache bei Lynne Ramsay schon anders aus. Nachdem die Schottin vor 12 Jahren mit ihrem Debüt "Ratcatcher" Furore gemacht hatte, drehte sie nur noch 2002 "Morvern Callar".

Spannend macht den Wettbewerb aber eben vor allem der Mix. Neben den großen Namen gibt es da auch Newcomer zu entdecken von Julia Leigh ("Sleeping Beauty") bis zum Österreicher Markus Schleinzer ("Michael"). Sind diesen FilmemacherInnen mit ihren Debüts wirklich gleich so große Filme gelungen, dass sie andere renommierte Regisseure wie Gus Van Sant oder André Techiné in die Nebensektionen verdrängen konnten, oder spielten bei der Programmierung ganz andere Überlegungen von regionaler Ausgewogenheit über Mix aus Altmeistern und Newcomern bis hin zu guten Beziehungen zum Auswahlkomitee eine wichtige Rolle?

Und dass auch Action im Wettbewerb nicht zu kurz kommen dürfte, lässt die Einladung von Nicoals Winding Refns "Drive" und Takashi Miikes "Hara-Kiri: Death of a Samurai" erwarten. Die wirklichen Blockbuster wie "Kung Fu Panda 2" oder "Pirates of the Caribbean – Fremde Gezeiten" laufen aber wie gewohnt außer Konkurrenz.

Für politische Brisanz sorgt dagegen eine Spezialvorführung des neuen Films "In Film Nist" ("Das ist kein Film") des in seiner iranischen Heimat zu sechs Jahren Haft und 20 Jahren Berufsverbot verurteilten Jafar Panahi.

Spektakulär präsentieren sich heuer von den Namen her auch die Nebenreihen. Da finden sich Regisseure, bei denen sich jedes andere Festival die Finger abschlecken könnte, wenn man sie in das Hauptprogramm bekäme. So wird "Un certain regard" vom früheren Cannes-Sieger Gus van Sant („Restless“) eröffnet, aber auch – um nur vier Beispiele zu nennen - der Koreaner Kim Ki-duk ("Arirang"), Bruno Dumont ("Hors Satan"), Andreas Dresen ("Halt auf freier Strecke") oder der Venedig-Sieger Andrej Zvyagintsev ("Elena"), die sonst immer wieder mal Stammgäste im Hauptprogramm großer Festivals waren, zeigen in dieser Reihe ihre neuen Filme.

Welche Rangordnung unter den Festivals herrscht, zeigt der Fall von "Take Shelter" von Jeff Nichols. Im Jänner beim Sundance-Festival uraufgeführt, stand er kurzfristig auf dem Programm des "Forums" der Berlinale, wurde dann von Sony zurückgezogen und läuft nun an der Côte d´Azur in der "Semaine de la critique".

Gut im Hauptbewerb hätte man sich nach dem großartigen "Nothing Personal" auch die Polin Urszula Antoniak vorstellen können. Deren neuer Film "Code Blue" läuft nun aber ebenso in der "Quinzaine des realisateurs" wie "Impardonnables" von Altmeister André Techiné oder das Debüt des österreichischen Schauspielers Karl Markovics. Dieser erzählt in "Atmen" die Geschichte eines 19-jährigen Haftentlassen erzählt, der im Zuge seiner Resozialisierung beginnt sich mit seiner Herkunft auseinanderzusetzen.

Interessant ist auch, welche im Vorfeld des Festivals gehandelten Regisseure und Filme nun fehlen. Da spannt sich der Bogen von David Cronenbergs "A Dangerous Method" über Andrea Arnolds "Wuthering Heights" bis zu Terence Davies "The Deep Blue Sea", von Aleksandr Sokurovs "Faust" über Alexander Paynes "The Descendants" bis zu Carlos Reygadas "Post Tenebras Lux" und von Ulrich Seidls "Paradies" über Walter Salles´ "On the Road", Hirokazu Kore-edas "I Wish" und Steve McQueens "Shame" bis zu Wong Kar-Wais "The Grandmasters". – Trotz des mit großen Regisseuren gespickten Cannes-Programms scheinen also auch noch für Venedig, Toronto und San Sebastian genügend Filme übrig zu bleiben. Und dass das eine oder andere der genannten großen Kaliber im Sommer in Locarno läuft, darf man zumindest bis zur Programmpräsentation im Juli hoffen.