Eine Carte blanche für Peter Konlechner

Anlässlich des 50-Jahr-Jubiläums lädt das Filmmuseum seinen Mitbegründer und Co-Direktor von 1964 bis 2001 zur Gestaltung einer großen "Carte blanche" ein. Peter Konlechner, geboren 1936, war schon vor der Gründung des Filmmuseums ein angesehener Akteur der Wiener Filmlandschaft: Seit Herbst 1961 gestaltete er das Programm des Cinestudios der Österreichischen Hochschülerschaft an der TU Wien (wo er Nachrichtentechnik studierte) und stellte dort zahlreiche historische Filmaufführungen sowie ein Internationales Kurzfilmfestival auf die Beine.

In diesem Kontext lernte er 1962 Peter Kubelka kennen, womit auch die Zusammenarbeit der beiden begann, die 1964 zur Gründung des Filmmuseums führte. Insgesamt hat Konlechner bis zu seiner Pensionierung vierzig Jahre Filmkultur in Österreich entscheidend mitgeprägt. "Zuerst war es die Kinotechnik, die mich faszinierte. Statt auf Fußballplätzen oder bei Jugendorganisationen, trieb ich mich bereits als Halbwüchsiger in Filmkabinen herum. Als ich aus dem Fundus des längst nicht mehr existierenden Klosterneuburger Burg Kinos einen alten Kino-Projektor ergatterte, begann ich alles, was mir in die Finger kam, zu projizieren: Wochenschauen, Werbefilme, Spielfilmausschnitte, von überall Ausgeborgtes. Anfangs in der Küche meiner sehr geduldigen Großmutter, danach in den Ferien auf Wiesen im Salzkammergut vor staunenden Einheimischen – damals schon Bronenosec Potemkin. Später dann als Student im von mir ins Leben gerufenen Cinestudio der TU.

Von Anbeginn standen dabei nicht Story, Schauspieler oder die (politischen) Inhalte, sondern das genuine Wesen des Films, die Gestaltung durch den Regisseur, die in Wahrheit erst am Schneidetisch vollendet wird, im Vordergrund. Deshalb hatten wir es uns während meiner Direktionszeit im Filmmuseum zur Devise gemacht, das Gesamtwerk eines Regisseurs zu zeigen, wodurch man dessen Entwicklung erst versteht. Dies gelingt nur, wenn das Werk authentisch präsentiert wird: Stummfilme stumm und in der richtigen Geschwindigkeit, Tonfilme in Originalsprache und in den besten verfügbaren Kopien.

Nach 37 Jahren des Gestaltens von Retrospektiven ist diese Carte blanche nicht mehr der Versuch, einen Kanon des Films zu definieren, sondern eine sehr persönliche Rückschau auf die Regisseure, deren Werk ich nach Wien holen konnte und mit denen mich oftmals eine sehr persönliche Beziehung verband. Angefangen mit Groucho Marx, der meiner Verlobten und mir als Nichtraucher zur Hochzeit ein Raucherservice mit der Widmung "this is the ideal gift for a nonsmoking couple" überreichte, über Federico Fellini, für den der Demel eigens eine Auslage gestaltete, bis hin zu Chuck Jones, der auf jedes verfügbare Stück Papier Bugs Bunny oder Pepé le Pew zeichnete.

Diese Retrospektive bestimmen Momente wie die mit Elia Kazan, der mir von einem russischen Film erzählte, der in Sibirien spielt, den er vor 30 Jahren gesehen hätte und der seither nicht mehr zu finden wäre. Eine Stunde später konnte ich ihm Aėrograd aus unserer Sammlung vorführen. Aus Dankbarkeit schenkte uns Kazan eine nagelneue Kopie von America, America. Beide Filme werden Sie in diesem Programm sehen können. So wie Werke des viel zu früh verstorbenen Jean Eustache, der mir 1979 ins Gästebuch schrieb, "en fait ce séjour m’a bouleversé. J’espère revenir avec plus de serenité" – er kam leider nie wieder.

Die Retrospektive ist all jenen Gästen des Filmmuseums gewidmet, die wir seit 1964 begrüßen konnten – und Ihnen, unserem Publikum, den Mitgliedern des Österreichischen Filmmuseums." (Peter Konlechner)

Peter Konlechners Auswahl umfasst Werke von Busby Berkeley, Luis Buñuel, Charles Chaplin, Aleksandr Dovženko, Sergej Eisenstein, Jean Eustache, Rainer Werner Fassbinder, Federico Fellini, Chuck Jones, Elia Kazan, Kurosawa Akira, Richard Leacock, Sergio Leone, Jonas Mekas, Georges Méliès, Jean Renoir, Eric Rohmer, Ken Russell, Werner Schroeter, Don Siegel, Agnès Varda, Dziga Vertov, Luchino Visconti, Raoul Walsh, Lina Wertmüller, Billy Wilder, Basil Wright & Harry Watt sowie Filme mit den Marx Brothers, Mae West, W.C. Fields und Laurel & Hardy.

Carte blanche - Peter Konlechner
9. Mai bis 20. Juni 2014