50. Solothurner Filmtage

Im Jubiläumsjahr bieten die Solothurner Filmtage vom 22. bis 29. Januar 2015 nicht nur einen Überblick über das aktuelle Schweizer Filmschaffen, sondern auch einen Rückblick auf kontrovers diskutierte Filme der letzten 50 Jahre.

32 Premieren präsentieren die 50. Solothurner Filmtage im "Panorama Schweiz", eröffnet wird mit der Schweizer Premiere von Claudia Lorenz´ "Unter der Haut": Die 39-jährige Bielerin taucht in ihrem ersten langen Spielfilm ins Innere einer Familie ein, erzählt von der Entfremdung eines Ehepaares, von einer unwiderruflichen Erschütterung des Zusammenlebens und davon, wie man mit neuen Lebensumständen zurechtkommt.

"Unter der Haut" konkurriert zusammen mit sechs weiteren Filmen im Wettbewerb um den mit 60.000 Schweizer Franken dotierten "Prix de Soleure", der "thematisch ausgerichtet ist und den Menschen und gesellschaftliche Fragen rund um das Zusammenleben in den Mittelpunkt stellt" (Solothurner Filmtage).

Als Weltpremieren laufen in diesem Rahmen Stina Werenfels´ "Dora oder Die sexuellen Neurosen unserer Eltern", "Driften" von Karim Patwa und Angelo Alfredo Lüdins Dokumentarfilm "Thomas Hirschhorn – Gramsci Monument". Während Werenfels in ihrem ersten Spielfilm seit ihrem viel beachteten Banker- und Familiendrama "Nachbeben" vom sexuellen Erwachen einer geistig behinderten jungen Frau und ihren Konflikten mit ihrer Mutter erzählt, steht im Mittelpunkt von Patwas Film ein aus der Haft Entlassener, der sich um einen Neubeginn bemüht.

Angelo Alfredo Lüdin begleitet dagegen Thomas Hirschhorn beim Aufbau einer Kunstinstallation in der Südbronx, die als Hommage an den italienischen Polit-Philosophen und Kommunisten Antonio Gramsci geplant ist. Wesentliche Stationen im Leben des heute 94-jährigen deutschen Architekten Gottfried Böhm zeichnet wiederum Maurizius Staerkle-Drux in seinem Dokumentarfilm "Die Böhms – Architektur einer Familie" nach.

Gespannt sein darf man auch auf "Pepe Mujica – Lessons from the Flowerbed", in dem Heidi Specogna ("Das kurze Leben des José Antonio Gutierrez", "Das Schiff des Torjägers") das Leben des Mitbegründers der Stadt-Gurerillabewegung "Tupamaros", Blumenzüchters und heutigen Präsidenten Uruguays nachzeichnet. Auch Nicolas Wadimoff hat mit "Aisheen – Still Alive in Gaza" schon eine starke Visitenkarte hinterlassen. In seinem neuen Film "Spartiates" porträtiert er den 24-jährigen Yann Sorel, der sich in Frankreich mit Mixed-Martial-Arts nach oben gekämpft hat und seinen Schützlingen einbläut, was Respekt und Toleranz heißt.

Während der "Prix de Soleure" von einer interdisziplinär zusammengesetzten Jury vergeben wird, entscheidet über die Verleihung des mit 20.000 Schweizer Franken dotierten "Prix du Public", wie der Name schon sagt, das Publikum. Der Bogen der zehn Filme spannt sich von Mathieu Urfers charmanter, in Locarno uraufgeführter Komödie "Pause" bis zum Dokumentarfilm "Mitten ins Land", in dem Norbert Wiedmer und Enrique Ros den Schriftsteller Pedro Lenz, der unter anderem die Vorlage zum heurigen Schweizer Publikumshit "Der Goalie bin ig" geschrieben hat, porträtieren.

Nicht gerade alltägliche Menschen porträtiert auch Susanne Eigenheer Wyler, die sich in ihrem Dokumentarfilm "Vollenden" zwei Tirolern widmet, die Verstorbene für die Aufbahrung am offenen Sarg vorbereiten.

Während Raul Riniker in "Usfahrt Oerlike" von einem alten Mann erzählt, der beschließt zu sterben, steht im Mittelpunkt von Frédéric Baillifs und Kantarama Gahigiris "Tapis rouge" ein Sozialarbeiter, der in einem Lausanner Vorort eine Gruppe Jugendliche unterstützt, um ihren großen Traum von der Realisierung eines Films wahr werden zu lassen. Revoltierende Jugendliche, die nachts von einem Erziehungscamp in den Bergen aus Trips voller Agrgression und Gewalt in die Stadt unternehmen, stehen dagegen im Zentrum von Simon Jaquemets "Chrieg".

Leichtere Töne schlägt vermutlich "Der Goalie bin ig"-Regisseurin Sabine Boss an, die in "Vecchi Pazzi" von einer gealterten Diva erzählt, die hofft durch Heirat und Erbschaft ein Varieté eröffnen und so wieder auftreten und singen zu können.

Weitere Kandidaten für den "Prix du Public" sind Laurent Négres Politsatire "Confusion", Thomas Gerbers Komödie "Der Hamster" und "Stella Ciao", in dem Vito Robbiani den Alltag im am Schweizer Ufer des Lago Maggiore gelegenen Restaurants "Stella d´Oro" schildert.

An ihre eigene Geschichte erinnern die Solothurner Filmtage mit einer "Special Rencontre", in deren Rahmen Filme aus den letzten 50 Jahren gezeigt werden, die bei dieser Werkschau kontrovers diskutiert wurden. Der Bogen spannt sich dabei von Alexander J. Seilers "Siamo Italiani" über Alain Tanners "Charles mort ou vif" und "Züri brännt" bis zu Peter Luisis "Verflixt verliebt".

In der Schiene "Fokus" werden unter dem Titel "Frische Zellen – Kollektive und Netzwerke" eigenwillige Arbeiten aus den Nachbarländern wie Jessica Hausners "Amour Fou", Daniel Hoesls "Soldat Jeannette" oder Jakob Lass´ "Love Steaks" vorgestellt, während in der Sparte "Nocturne" unter anderem mit Veronika Franz´ und Severin Fialas "Ich seh, ich seh" oder mit Markus Welters und Chris Niemeyers Serie "Der Bestatter" Fans von gruseliger Kost auf ihre Rechnung kommen dürften. Neue Talente werden schließlich wie schon letztes Jahr unter dem Label "Upcoming" präsentiert.

Zum reichhaltigen Filmprogramm, das allein in der Werkschau "Panorama Schweiz" 184 Filme umfasst, kommen die Verleihung des "Prix Pathe" für herausragende filmjournalistische Beiträge an Christoph Schneider in der Kategorie "Printmedium" und Simone Meier in der Kategorie "Elektronische Medien", Konzerte und Partys, Diskussionen unter anderem zu vorgestellten neuen Schweizer Filmen sowie ein Festakt und ein Fest zum runden Jubiläum der Filmtage.

Trailer zu den 50. Solothurner Filmtagen