Vorschau auf die 66. Berlinale: Gewohnte Mischung

Ganz große Namen fehlen im Wettbewerb der heurigen Berlinale (11. – 21.2. 2016) weitgehend. Starregisseure wie die Coen-Brüder und Spike Lee zeigen ihre neuen Filme außer Konkurrenz, im Wettbewerb finden sich dafür wagemutige Regisseure wie der Philippino Lav Diaz, der Iraner Mani Haghighi und der Kanadier Denis Côte. Überraschend schwach vertreten ist dagegen das Gastgeberland.

Attraktiv für Medien und Publikum ist die Eröffnung der 66. Berlinale. Nach ihrem Remake des Western "True Grit" dürfen die Coen-Brüder zum zweiten Mal mit einem Film das größte deutsche Filmfestival eröffnen.

Nach Berlin und nicht nach Cannes ging "Hail Caesar", der im Hollywood der 1950er Jahre spielt, aber wohl nur, weil diese Komödie schon eine Woche später in den Kinos startet und für das Festival an der Côte d´Azur damit nicht mehr in Frage kommt.

Feiert "Hail Caesar" in Berlin seine Weltpremiere, so ist Spike Lees in die Gegenwart versetzte "Lysistrate"-Version "Chi-raq" schon in den USA angelaufen. Wie diese beiden US-Produktionen läuft auch das Familiendrama "Mahana – Der Patriarch" des Neuseeländers Lee Tamahori außer Konkurrenz, dennoch sollen diese Filme wohl als Zugpferde für Medien und Publikum fungieren.

Im Wettbewerb finden sich dagegen vor allem aufstrebende jüngere Regisseure und einige sperrige Außenseiter. Das macht durchaus Sinn, haben doch in den letzten Jahren gerade die Starregisseure wie Brillante Mendoza, Terrence Malick oder auch Ulrich Seidl mit "Paradies: Hoffnung" in Berlin eher enttäuscht. Dass bei Seidls Trilogie "Liebe" in Cannes, "Glaube" in Venedig und "Hoffnung" in Berlin liefen, war sicher kein Zufall, sondern zeigt die Rangordnung unter diesen drei wichtigsten europäischen Filmfestivals.

Wenn nun der Amerikaner Jeff Nichols mit seinem neuen Film "Midnight Special" in den Wettbewerb von Berlin kommt, obwohl seine letzten Filme "Take Shelter und "Mud" in Cannes liefen, ist das eher ein schlechtes Zeichen. Skeptisch muss man dieser Premiere aber auch deshalb entgegenblicken, weil sich die Fertigstellung des Films immer wieder verzögerte. Musste da etwa immer wieder herumgedoktert und nachgebessert werden?

Gerne lässt man sich aber eines Besseren belehren und hofft auch, dass dem in Cannes mit "Das Fest" und "Die Jagd" gefeierten Dänen Thomas Vinterberg mit der Verfilmung seines eigenen Stücks "Kollektivet – The Commune", in dem er autobiographisch gefärbt vom Leben in einer Kopenhagener Kommune in den 1970er Jahren erzählt, ein großer Wurf gelungen ist.

Auffallend ist wie schwach die Deutschen im Wettbewerb ihres Heimatfestivals vertreten sind. Fanden sich hier in den letzten Jahren immer bekanntere Namen und zwei oder drei Bärenbewerber, so gibt es heuer zwar zahlreiche Koproduktionen, steckt doch in den meisten europäischen Filmen immer auch deutsches Geld, aber mit Anne Zohra Berracheds "24 Wochen" nur einen echten deutschen Film.

Im Mittelpunkt steht dabei ein Paar, das eine schwere Entscheidung fällen muss, als es erfährt, dass sein ungeborenes Kind einen Herzfehler und das Down-Syndrom haben wird. Das klingt durchaus spannend, erinnert aber auch stark an Annette K. Olesens "In deinen Händen", der vor einigen Jahren bei der Berlinale im Wettbewerb lief.

Mit dem Franzosen André Techiné, der "Quand on a 17 ans" zeigt, ist zwar auch ein Altmeister im Wettbewerb vertreten, daneben dominieren aber die Regisseure, die den ganz großen Durchbruch noch nicht geschafft haben. Zu dieser vielversprechenden jüngeren Generation gehört die Französin Mia Hansen-Løve, die mit "L´avenir" eingeladen wurde, ebenso wie der Iraner Mani Haghighi, der nach dem starken "Modest Reception" nun "A Dragon Arrives" präsentiert. Zu den Berlinale-Stammgästen zählt Haghighis Landsmann Rafi Pitts, der den von Deutschland, Frankreich und Mexiko produzierten "Soy Nero" ins Bärenrennen schickt.

Vom Papier her zu den Bärenfavoriten zu zählen ist sicher der für seine überlangen Filme bekannte Philippino Lav Diaz, der in "A Lullaby to the Sorrowful Mystery" dem Vernehmen nach wieder die Geschichte seines Heimatlandes erkundet.

Für eigenwillige Filmkunst, die das Publikum spaltet, ist auch der Kanadier Denis Côte bekannt, der nach "Vic+Flo ont vu un ours" nun mit "Boris sans Béatrice" zum zweiten Mal in den Wettbewerb der Berlinale eingeladen wurde.

Gespannt sein darf man aber auch auf Danis Taovics "Death in Sarajewo" und "United States of Love" des jungen Polen Tomasz Wasilewski - auch weil das polnische Kino gegenwärtig mit Filmen wie "Ida" und "Body" Frische und Stärke beweist.

Dokumentarfilme steuern der Italiener Gianfranco Rosi bei, dessen "Fire at Sea" auf der Flüchtlingsinsel Lampedusa gedreht wurde, sowie der Amerikaner Alex Gibney, der sich in "Zero Days" mit der Überwachung durch das Internet auseinandersetzt.

Auffallend ist, dass die neuen Filme so renommierter Regisseure wie des Briten Terence Davies, der in "A Quiet Passion" von der im 19. Jahrhundert lebenden amerikanischen Schriftstellerin Emily Dickinson erzählt, sowie des Japaners Kiyoshi Kurosawa ("Creepy") nicht im Wettbewerb, sondern im Berlinale Special laufen.

Von den Namen her verspricht auch die Sektion "Panorama" einiges, laufen hier doch neue Filme des Österreichers Händl Klaus ("Kater"), des Argentiniers Daniel Burman ("El rey del once – The Tenth Man"), der Deutschen Doris Dörrie ("Grüße aus Fukushima") und des Amerikaners Ira Sachs ("Little Man").

Mit zwei Filmen ist Österreich auch im "Forum", das dieses Jahr dem Filmschaffen im arabischen Raum einen Schwerpunkt widmet, vertreten. Nikolaus Geyrhalter blickt in seinem Dokumentarfilm "Homo Sapiens" auf eine leere, von der Natur zurückeroberte, aber doch einst von Menschen gemachte Welt, während Ruth Beckermann, die in "Die Geträumten" ausgehend vom Briefwechsel zwischen Ingeborg Bachmann und Paul Celan über das heutige Europa mit seinen Flüchtenden und Suchenden reflektiert.

Neben unbekannteren Regisseuren finden sich in dieser Programmschiene auch neue Filme des großen deutschen Dokumentarfilmers Volker Koepp ("Landstück"), des Ungarn Bence Fliegauf ("Lily Lane") oder des Franzosen Guillaume Nicloux ("Dans les bois").

Nicht unbeachtet lassen sollte man auch die Kinder- und Jugendfilmschienen "Generation Kplus" und "Generation 14plus", in denen man ebenso Entdeckungen machen kann, wie in der Reihe "Perspektive Deutsches Kino", die Newcomern einen Platz bietet.

Wie immer wird schließlich aber auch heuer bei der Berlinale die Filmgeschichte gepflegt. So wird nicht nur eine digital restaurierte Fassung von Fritz Langs Stummfilmklassiker "Der müde Tod" präsentiert, sondern in der Retrospektive "Deutschland 1966 – Filmische Perspektiven in Ost und West" wird auch mit einem Überblick ausgewählter, 1966 gedrehter Filme aus der BRD und der DDR ein Einblick in die damaligen gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse und die Zeitstimmung geboten.