Hoch droben

Eine ganz besondere Entdeckungsreise geht zu Ende. Das Buch ist fertig. "Rudolf Wäger. Baukünstler. Ein Pionier in Vorarlberg". Der Blick von meiner Dachterrasse auf die gegenüberliegende Seite, wo die letzten Sonnenstrahlen auf das Dorf Übersaxen treffen – vielleicht sind es die großen Glasflächen seines Hauses, die herüberglitzern. Zwei Wochen nach Rudolfs Begräbnis hielten wir die fotografische Sicht innen noch fest, für die Monografie, für die unverfälschte Erinnerung. Bei diesem Werk will ich nicht mehr wissen, wie es sich den neuen BesitzerInnen anpassen wird.

Die stringente kleine Kubatur sitzt noch immer so richtig auf der Geländekuppe, trotz der massiven nachbarschaftlichen Volumen nicht zu übersehen. Eine wohlgestaltete Miniatur. Nicht ganz so radikal einfach wie das fünfundvierzig Jahre früher, eigenhändig erbaute Würfelhaus, das Friedrich Achleitner als Schlüsselbau für Vernunft im Wohnbau – wegen seiner "optimalen Raumausnutzung und billigen, jedoch gediegenen Konstruktion" – preiste, doch genauso bis zum letzten Winkel ausdetailliert wie sein Satteinser Atelier, in das er später ein maßgeschneidertes Wohnkonzentrat implementierte.

Rudolf Wägers Spätwerk demonstriert zehn Jahre später wieder Raumkomposition in Vollendung. Der Wohnraum spielt Großzügigkeit über einen Niveausprung zwischen Ess- und Wohnbereich. Reduziert und edel materialisiert – Decke und Wände in astloser Weißtanne, am Boden dunkler Robinienparkett, alle Einbauten und Schiebetüren aus grafitgrau-durchgefärbten MDF-Platten – fasziniert die funktionelle Schichtung der weiteren Räume. Es gibt eine interne Verbindung vom Schlafzimmer über die zwei Glastüren der Dusche ins Bad und weiter zum Schrankflur. Wie durchdacht! Dieser ist wiederum mit einer Schiebetüre von Garderobe und Eingangsbereich abgegrenzt.
Wie gerne habe ich Rudolf dort oben besucht! Abgelegen ist das Bergdorf zweifelsohne, aber auch abgehoben – über der Nebelgischt. Die Abgeschiedenheit war wohl bewusst gewählt, beinhaltete sie doch Ruhe, Beschaulichkeit und Weitblick.

Martina Pfeifer Steiner, Marina Hämmerle:
Rudolf Wäger. Baukünstler. 1941–2019. Ein Pionier in Vorarlberg
Hg. Vorarlberger Architektur Institut, Architekturzentrum Wien; Verlag Birkhäuser 2021