Das "Sehen" in den Mittelpunkt stellen

Die Bludenzer Galerie Allerart, die von Manfred Egender kuratiert wird, startet mit einer Art künstlerischer "Doppelconference" der Gebrüder Christoph und Markus Getzner in das Herbstprogramm. Das Künstlerduo wird im Bludenzer "white cube" ein eigens konzipiertes Projekt vorstellen, das zwischen Bild und Objekt changiert. Großformatige Bilder und eher kleindimensionierte Skulpturen treten in einen direkten Dialog.

Wie zumeist in ihrem Schaffen, setzen sich die beiden Künstler im Rahmen ihrer durchwegs neu entwickelten Arbeiten mit Umsetzungstechniken, die formal an das Vokabular der Barockzeit erinnern, mit aktuellen Themen auseinander. Mit einer eindrücklichen Formalsprache entwerfen sie ein düsteres Zeitszenario, das durch Werktitel wie etwa "milliardenfach dem tod verfallen", "den leib abtragen" oder "die gewissheit der unsicherheit" untermauert wird. Trotz allem keimt in den Werken des Duos aber auch erwartungsvoller Optimismus durch. Denn inhaltlich sind die Arbeiten der Getzners dialektisch aufgebaut. Weltliches steht neben Sakralem, Privates neben Öffentlichem, Apokalyptisches neben Hoffnungsvollem.

Markus Getzner, der "Philosoph" sowie Zeichner, Maler und Theoretiker der beiden, erläutert: "Die Reichweite menschlichen Handelns und die längerfristigen Folgen des heutigen Tuns für Mensch, Tier und Natur gilt es zu reflektieren und von da her im Sinne einer generationsübergreifenden Verantwortung zu handeln. Im Gegensatz dazu existieren Zeitabschnitte, die einer offenen und ungewissen Zukunft mit nicht hinreichend gesicherten Wissen gegenüberstehen, im Sinne der Erkenntnis und Lösung von Problemen." Und er erinnert daran, dass wir sterbliche Lebewesen sind,
und "miteinander wie mit dem verbunden, was uns bindet und entbindet, uns erfasst und entlässt und wieder erfasst in einer unaufhörlichen Fluktuation von Erscheinen und Verschwinden, von Formung und Auflösung, oft nur noch blosses Zeichen eines Dings und nicht das Ding selbst und, was es auch auf sich hat mit dieser so verwirrend erscheinenden Sicht, wir sind imstande, über unsere Sinne und unser Verstehen hinaus zu 'sehen', wir können dieses 'sehen' verfeinern und vertiefen, es schärfen und üben, es zum Mittelpunkt machen...".

Von großer Besonderheit ist auch die Co-Working-Strategie, die die Zusammenarbeit der beiden Künstler über eine große Distanz hinweg regelt. Christoph Getzner, der 1960 in Feldkirch geboren wurde und die Meisterklasse für Holz- und Steinbildhauerei in Graz absolviert hat, ist nämlich Mitglied der Dombauhütte zu St. Stephan und lebt in Wien. Markus Getzner, geboren 1965 in Bludenz, der an der Akademie der Bildenden Künste in Wien zunächst Malerei bei Arnulf Rainer, dann Bildhauerei bei Bruno Gironcoli studiert hatte, lebt hingegen als Mönch im tibetisch-buddhistischen Kloster Rabten Choeling in Le Mont-Pèlerin hoch über dem Genfer See. Für ihre Ausstellungsprojekte kommen die Brüder jeweils für wenige aber gleichwohl intensive Arbeitswochen in Wien zusammen und realisieren hier gemeinsam ihre geplanten Werke.

Christoph & Markus Getzner
17. September bis 30. Oktober 2021