Fotografien von VALIE EXPORT

Die Ausstellung im Fotomuseum Winterthur stellt erstmals das fotografische Œuvre von VALIE EXPORT in den Mittelpunkt. Dabei wird unter anderem EXPORTs Einsatz von Fotografie als kritische Auseinandersetzung mit Abbildungs- und Repräsentationsprozessen untersucht. An der Schnittstelle von Film, Videokunst, Zeichnung und Body-Art erlauben die gezeigten Fotografien eine neue Perspektive auf das Schaffen der Künstlerin.

Das multimediale Werk VALIE EXPORTs entzieht sich vereinfachenden Kategorisierungen und Festschreibungen. Als Pionierin der Performance-, Installations- und Videokunst durchbricht die Künstlerin seit jeher die Grenzen zwischen medialen Genres und setzt auch ihren eigenen Körper als künstlerisches Medium ein. Die Fotografie spielt in ihrer Praxis von Anbeginn eine zentrale Rolle – ob zu dokumentarischen Zwecken, als Experiment, als Bestandteil multimedialer Installationen oder als eigenständiges Werk.

EXPORT war sich der Bedeutung der visuellen Aufzeichnung ihrer Performances stets bewusst. Bereits 1968, bei zwei ihrer bekanntesten Performances, dem "Tapp und Tastkino" und der Aktion "Aus der Mappe der Hundigkeit" waren Fotograf:innen (und Filmemacher:innen) zugegen. Für die Performance "Tapp und Tastkino" wurden Zuschauer und Passanten über ein Megafon aufgefordert, EXPORTs Brüste zu berühren, die von einem als Kinosaal dienenden Kasten mit Vorhang, den die Künstlerin wie ein Kleidungsstück trug, verdeckt waren. Die Teilnehmenden mussten beim Akt der Berührung mit EXPORT für eine genau definierte Zeitdauer Augenkontakt halten, wodurch die Künstlerin den für das Kino typischen Voyeurismus des männlichen Blicks umkehrte. Für "Aus der Mappe der Hundigkeit" führte EXPORT den auf allen Vieren kriechenden Künstler Peter Weibel an einer Hundeleine durch die Innenstadt Wiens, wodurch sie auf provokante Art und Weise durch deren Umkehrung auf vorherrschende Geschlechterverhältnisse und Machtdynamiken aufmerksam machte.

Die Fotografie diente nicht bloss der Aufzeichnung von EXPORTs Aktionen. Viel eher traten Aktion und Fotografie in einen Dialog und somit eine wechselseitige Abhängigkeit; einerseits wurden mithilfe der Fotografie Aktionen festgehalten (und schliesslich auch vermittelt), andererseits erreichten EXPORTs Aktionsfotos durch ihre Produktion, Publikation und Rezeption – insbesondere von Schlüsselmomenten wie der Interaktion und dem Blickaustausch zwischen Künstlerin und Teilnehmenden beim "Tapp und Tastkino" – einen von den Performances unabhängigen Status.

EXPORT widmete sich schon zu Beginn ihrer Karriere der kritischen Untersuchung von Abbildungsmechanismen: Sie verhandelte die unterschiedlichen Charakteristika des fotografischen Bilds und bildgebender Medien, hinterfragte deren Funktionsweisen und unterzog die Fotografie einer konzeptuellen Analyse, indem sie die Bedingungen technischer Abbildungsprozesse offenlegte. Eine zentrale Rolle spielte dabei die Dekonstruktion des fotografischen Blicks und seiner implizierten Machtstrukturen.

Die kritische Analyse von Repräsentationssystemen ging für EXPORT unweigerlich mit der Darstellung des weiblich gelesenen Körpers einher. Unter Bezugnahme auf den eigenen Körper hat sie die Rolle der Frau, der Künstlerin und des Subjekts innerhalb von patriarchalen gesellschaftspolitischen Strukturen immer wieder untersucht. Im Jahr 1970 liess sich EXPORT für "Body Sign Action" beispielswiese ein Strumpfband auf den Oberschenkel tätowieren, um den Status der Frau als Sexualobjekt und Projektionsfläche männlicher Fantasien sichtbar zu machen. Das Werk bringt zum Ausdruck, wie sich patriarchale Normen dem weiblich gelesenen Körper – buchstäblich – auf schmerzhafte Weise einschreiben. Auch mit ihrer Werkgruppe der Körperkonfigurationen (1972–1982) untersucht EXPORT über Körperhaltungen die Beziehungen zwischen Subjekt und machtpolitischen Strukturen. Sie formuliert ihre Kritik an Abbildungs- und Repräsentationsprozessen explizit als feministische Kritik: Im Zentrum ihres Werks steht das Verhältnis von Subjekt und Raum, Körper und Blick, Weiblichkeit und Repräsentation.

Die Ausstellung VALIE EXPORT – Die Fotografien, welche in enger Zusammenarbeit mit der Künstlerin entstanden ist, legt den Fokus auf die Relevanz der Fotografie für ihr Schaffen. Der Logik von EXPORTs Werk folgend, präsentiert die Ausstellung dennoch nicht nur Fotografien, sondern stellt unterschiedliche Medien und Werke, die zwischen 1968 und 2007 entstanden sind, einander gegenüber.

VALIE EXPORT – Die Fotografien
Bis 29. Mai 2023
Die Ausstellung wird kuratiert von Walter Moser und ist eine Kooperation mit der Albertina, Wien.