Piktorialismus - Die Kunstfotografie um 1900

Der Piktorialismus oder auch die Kunstfotografie um 1900 sieht sein Hauptanliegen in der Gleichstellung der Fotografie mit der bildenden Kunst. In dieser internationalen fotografischen Bewegung spielt der österreichische Beitrag eine wesentliche Rolle. In der aktuellen Ausstellung beleuchtet die Albertina Modern ein bedeutendes, rund drei Jahrzehnte währendes Kapitel der Fotografie, indem sie das heimische Schaffen ins Zentrum rückt.

Die großartigen fotokünstlerischen Leistungen zur Zeit der Habsburgermonarchie sind ein noch viel zu wenig beachteter Aspekt der Wiener Moderne. Tatsächlich ist die fotografische Szene eng mit den zeitgenössischen künstlerischen Avantgarden verbunden. Sie entsteht und wächst im Wechselverhältnis zur modernen Kunst zwischen Historismus, Jugendstil und Modernismus.

Kunstfotografie um 1900, auch als Piktorialismus bezeichnet, wird zunächst von wohlhabenden Amateurinnen und Amateuren getragen, die sich der damals noch kostspieligen Fotografie mit großer Begeisterung widmen. Dies wird vor allem durch die Silbergelatine-Trockenplatte ermöglicht, die eine starke Vereinfachung in der Handhabung der fotografischen Technik mit sich bringt. Unter dem Eindruck des britischen Arts and Crafts Movement wächst die Amateurfotografie schließlich im Lauf der 1880er- und 1890er-Jahre zu einer Bewegung heran, welche die ästhetische Erneuerung und künstlerische Aufwertung der Fotografie anstrebt.

Die heimischen Pioniere rund um Heinrich Kühn und Hugo Henneberg befinden sich in regem Austausch mit den führenden amerikanischen Vertretern wie Alfred Stieglitz und Edward Steichen. Werke der befreundeten Künstler werden regelmäßig in beiden Ländern ausgestellt und gefeiert.

Auch zur progressiven Wiener Kunstszene werden enge Verbindungen geknüpft. Mit Hilfe aufwändiger Drucktechniken entstehen bildgewaltige, an der Malerei geschulte Kompositionen, die 1902 in der Wiener Secession zur Ausstellung kommen. Der Piktorialismus wird vor allem die gewerbliche Porträtfotografie nach 1900 maßgeblich beeinflussen.

Einen späten Höhepunkt erlangt die Kunstfotografie zudem in den 1920er-Jahren durch Rudolf Koppitz, Dora Kallmus (Atelier d’Ora) und Trude Fleischmann sowie anderen berühmten Studentinnen und Studenten der ehemaligen k.u.k. (kaiserlich und königlichen) Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt in Wien.

Die Präsentation spannt den Bogen von den englischen Vorbildern hin zu herausragenden nationalen wie internationalen Werken des Piktorialismus. Zudem wird der kunstfotografische Einfluss auf die professionelle Porträtfotografie bis zu seinem weit in die Zwischenkriegszeit reichenden bildgestalterischen Erbe beleuchtet.

Piktorialismus - Die Kunstfotografie um 1900
4. Februar bis 23. April 2023