Aufgerichtete Leitplanken in kräftiger Farbgebung

Das Museum Haus Konstruktiv in Zürich zeigt bis 5. Mai Skulpturen, fotografische Arbeiten und Wandobjekte von Bettina Pousttchi. Die Ausstellung ermöglicht den Einblick in das vielschichtige Schaffen dieser Künstlerin, die vor allem mit ortsspezifischen, monumentalen Fassadeninstallationen im öffentlichen Raum Bekanntheit erlangte.

Bettina Pousttchi entwickelt ihre Skulpturen für Innen- sowie Aussenräume und nimmt mit ihnen Bezug auf die architektonischen, sozialen und kulturellen Implikationen des jeweiligen Settings. Bereits seit einigen Jahren greift sie dafür auf Objekte zurück, die den öffentlichen Raum strukturieren und die körperliche Erfahrung des Stadtraums prägen, darunter Leitplanken, Absperrgitter, Fahrrad- und Baumschutzbügel. Durch Massnahmen wie Biegen oder Pressen sowie farbliche Neugestaltungen enthebt Pousttchi die Alltagsobjekte ihrer regulativen Funktion und löst sie aus ihrem Sinnzusammenhang, wodurch sie zu Zeichen von Veränderung, fluiden Strukturen und sich auflösenden Grenzen werden. Mit der seriellen Verwendung des Ausgangsmaterials schliesst die Künstlerin konzeptuell an die Minimal Art an, und auch an Marcel Duchamps Readymades mag man sich beim Anblick mancher Objekte erinnert fühlen.

Das skulpturale Werk steht im Zentrum von Pousttchis Ausstellung: Arbeiten aus Stahl, Keramik und mit Licht. Es wird ergänzt durch neue Fotoarbeiten. Den Auftakt der Schau bilden die raumgreifenden Skulpturen der Serie "Vertical Highways"; aufgerichtete Leitplanken in kräftiger Farbgebung, die mechanisch so verbogen, gestaucht und ineinander verkeilt wurden, dass die abstrakten Formen im Raum wie übergrosse tanzende Figuren wirken. Die unterschiedlich hohen Leitplanken sind linear aufsteigend angeordnet, wodurch sich der Bewegungseindruck verstärkt, ein für den skulpturalen Ansatz der Künstlerin charakteristischer Aspekt. Das Farbspektrum dieser Arbeiten reicht von kräftigem Rot und Gelb, das an Signalfarben von Verkehrsschildern erinnert, bis zu neutraleren Tönen wie Anthrazit und Elfenbein.

Die Serie "Directions" zeigt beispielsweise eine weitere Facette in der Beschäftigung der Künstlerin mit Ordnungsstrukturen des öffentlichen Raums. Pousttchi entwickelte dafür Bildvorlagen, die sie aus Stahl schneiden und farbig beschichten liess. Inspiriert sind die scharfkantigen Cut-outs von Strassenpfeilen, und tatsächlich scheinen sie das Publikum wie Wegweiser in die Räumlichkeiten zu leiten. Die Objekte oszillieren zwischen Kunst und Signaletik, wobei in der realen Welt wohl kaum je derart viele Wegweiser auf engstem Raum zu finden sind. So viele gangbare Richtungen, so viele Möglichkeiten.

Bettina Pousttchi (*1971) lebt in Berlin.

Bettina Pousttchi
Progressions
Bis 5. Mai 2024