Literarische Frauen-Power

Auf einem blass rosafarbenen Einband streckt uns eine feingliedrige Hand den Mittelfinger entgegen. "UND WIE WIR HASSEN" ist das in großen Lettern herausgeschriene fuck you, welches einem um die Ohren dätscht. In 15 "Hetzreden" versammeln sich Autorinnen wie etwa Sibylle Berg oder Stefanie Sargnagel hasserfüllt gegen den Hass.

Hassobjekte

Herausgeberin Lydia Haider hat die Veröffentlichung wohl nicht zufällig auf das Wochenende des Weltfrauentags gelegt. Dieser führt uns besorgniserregende Zahlen vor Augen, die die Gewalt an Frauen als erschreckende Normalität kennzeichnet. In Zeiten Coronas, verweist die Frauen*helpline der AÖF darauf, dass Isolation im eigenen Zuhause für viele Frauen bedeutet, einem erhöhten Risiko familiärer Gewalt ausgesetzt zu sein.

Der bei Kremayr und Scheriau erschienene Band trägt Kurz- und Kürzesttexte, Rap-lyriks und Facebook Statusmeldungen zusammen. Gemeinsam ist ihnen, dass sie mit viel Ironie und knallharter Kritik anprangern, was den Autorinnen als Feministinnen, Frauen, oder ganz einfach als Teil dieser Gesellschaft entgegenschlägt. Große Themen werden dabei konkret verhandelt. Etwa kommt das Patriachat in Gestalt des eigenen stinkenden Sohnes daher. Antisemitische Abwehrreflexe lassen den Gesprächspartner bei einer Vernissage zucken oder der immerwährende Rassismus nimmt gar keine Gestalt mehr an, da er bereits in den Boden der Erzählungen gesickert ist. Dabei wird nicht nur das Abstrakte gehasst, sondern gerade die in Form gegossene Banalität. Und nein, es muss nicht immer hochtrabende Lyrik sein, manchmal darf geschimpft werden. Der rücksichtslose Autofahrer, die Selbstoptimierung via Yoga und München bekommen genauso ihr Fett weg.

Zerstörerische Kraft nutzen

"Hass ist kein Gefühl. Hass lässt sich nur in Vernichtung ausdrücken. Hass ist das Gegenteil von Neugier. Ich hasse nicht. Manchmal empfinde ich Ekel. Oder Verachtung. Vor dem Hass. Für den Hass. Aber nein, ich hasse so wenig, wie ich verschwinde. Nein. So wenig, wie ich aufgebe. Nie." Manja Präkels schließt den Sammelband eindrücklich mit einem Apell und gibt Aufschluss auf die potenzielle Wirkrichtung der Texte. Der vorgebrachte Einwand, Hass mit Hass zu begegnen, löse nur noch mehr Hass aus, ist zwar eine schöne Spiralen-Metapher, zielt aber an den Texten vorbei – so man sich auf die provokant als "Hetzreden" betitelten Geschichten einlässt. Es wird angeklagt und aufbegehrt, und dabei mit Hass operiert ohne neuen Hass zu schüren. Der Text "Schlachthausgasse" zerfleischt sich etwa selbst, wenn Maria Muhar rhythmisch dem allzu bekannten Eigenen entgegenschreibt.

Popper hätte es gutgeheißen

Auf einer Bedeutungsebene erinnert das an das Poppersche Toleranz-Paradoxon. In diesem beschreibt der Philosoph, dass es eben nicht tolerant wäre Intoleranz zu tolerieren. Das schließt er aus der Folge dessen, dass sich die Toleranz sonst selbst abschaffen würde. Als Symptom einer kaputten Gesellschaft dürfen wir umgemünzt Hass sehr wohl hassen. Die Frage ist aber wohl: Wie? Den Titel in ein anderes Licht gerückt, mag das "wie" in "Und wie wir hassen" auf diese emanzipatorische Facette hinweisen.
Eine kluge Abrechnung mit jenen, die hilflos vernichten wollen.

"Und wie wir hassen. 15 Hetzreden"
Lydia Haider (Hg.)
Kremayr & Scheriau, 2020
157 Seiten
ISBN: 978-3-218-01210-2