Geliebte Begleiter, gefährliche Monster, geschundene Kreaturen: Tiere im Film

Vom süßen Collie "Lassie" bis zum aggressiven "Weißen Hai" und vom gejagten Großwild bis zum geschundenen Esel reichen die Spielarten der Beziehungen zwischen Mensch und Tier im Film. Die Retrospektive der heurigen Viennale und des Österreichischen Filmmuseums widmet sich unter dem Titel "Animals – Eine kleine Zoologie des Kinos" diesem Thema.

Die filmische Auseinandersetzung mit Tieren reicht schon vor den Anfang der offiziellen Filmgeschichte zurück. Denn schon 1878 gelang dem britischen Fotografen Eadweard Muybridge mit Serienaufnahmen der Nachweis, dass Pferde im Galopp kurzzeitig mit allen vier Hufen vom Boden abheben. Gleichzeitig kann aber auch eine Analogie zwischen Kino und Zoo gezogen werden, denn einerseits haben beide Einrichtungen ihren Ursprung im Jahrmarkt, andererseits wird auch an beiden Orten Lebendiges zur Schau gestellt.

Die Spielarten der Beziehungen zwischen Mensch und Tier im Kino sind dabei so vielfältig wie die Kunstform selbst. Zu Publikumslieblingen avancierten anthropomorphisierend dargestellte, dem Menschen stets treu zu Diensten stehende Hunde wie Lassie oder Rin-Tin-Tin (26 Filme in den 1920er Jahren), Pferde wie Fury oder Flicka und natürlich der Delphin Flipper. Einerseits führte dabei die Popularität von Kinofilmen wie "Lassie Come Home" (Fred M. Wilcox, 1943) oder "Flipper" (James B. Clarke) zu Sequels und in der Folge zu TV-Serien, andererseits entstanden auch unabhängig vom Kino um solche Tiere TV-Serien.

Ungleich grössere Möglichkeiten als der Realfilm eröffnete hier der Zeichentrickfilm und Disney wurde von "Bambi" (1942) bis "Dschungelbuch" (Wolfgang Reithermann, 1967) zu dessen Meister, ehe die Computertechnik ermöglichte jedes beliebige Getier von Ratten ("Ratatouille"; Brad Bird/Jan Pinkava, 2007) bis zu Ameisen ("Antz"; Tim Johnson/Eric Darnell, 1998) lebensecht auf die Leinwand zu zaubern.

Gleichzeitig boten Tiere aber auch immer wieder die Möglichkeit im Kino Angst und Schrecken zu verbreiten. Der Riesenaffe King Kong (Merian C. Cooper, Ernste B. Schoedsack; 1933), Hitchcocks "The Birds" (1963) und Spielbergs "Jaws - Der weiße Hai" (1975) zählen hier zu den bekanntesten Vertretern, aber auch mutierte Spinnen ("Tarantula"; Jack Arnold, 1955; "Mörderspinnen - Kingdom of the Spiders"; John "Bud" Cardos, 1977), Ameisen ("Formicula"; Gordon Douglas, 1954) und Bienen ("The Deadly Bees"; Freddie Francis, 1966) ließen die Filmemacher die Menschheit angreifen und dabei in den 1950er Jahren Kritik an Atomversuchen und in den 1980er Jahren an der Umweltverschmutzung üben. Reiz übten dabei auch Fabelwesen aus vom Monster Godzilla (Ishiro Honda, 1954) bis zu den von Spielberg in "Jurassic Park" (1993ff.) neu zum Leben erweckten Dinosauriern.

Die Lust des Publikums an Abenteuer und Exotik befriedigte man wiederum mit Mann-Tier-Konfrontationen bei Großwildjagden wie in John Fords "Mogambo" (1953), der Büffeljagd in Richard Brooks Western "The Last Hunt" (1956) oder John Hustons Verfilmung von Herman Melvilles Klassiker "Moby Dick" (1956), dessen Entstehungsgeschichte von Ron Howard soeben filmisch verarbeitet wurde unter dem Titel "In the Heart of the Sea" Anfang Dezember in die Kinos kommen wird.

Das Schicksal von Tieren lässt sich aber auch immer mit dem von Menschen verknüpfen. Mit einer Schlachthausszene prangerte Sergej Eisenstein in "Streik" (1925) die Niederschlagung eines Aufstands an, mit einem Hasenmassaker bei einer Treibjagd nahm Jean Renoir in "La règle du jeu" (1939) quasi die Gräuel des Zweiten Weltkriegs vorweg.

Robert Bresson wiederum inszenierte in seinem Meisterwerk "Au hasard Balthazar" (1966)die Leidensgeschichte eines Esels als universelle Passionsgeschichte, während Vittorio De Sica in "Umberto D." (1952) anhand der Geschichte eines Rentners, dessen einziger Freund sein Hund ist, bittere Kritik an der Gleichgültigkeit der italienischen Nachkriegsgesellschaft übte.

Während Wes Anderson in seinem hinreißenden Animationsfilm "The Fantastic Mr. Fox" (2009) eine liebenswerte Fuchs-Familie präsentiert, erscheint die Rinderherde in Howard Hawks´ Western "Red River" (1948) allein schon durch ihre Größe bedrohlich. Wie eine Urgewalt bricht diese schließlich, aufgescheucht durch das Geräusch fallender Töpfe, los und reißt alles nieder. Machtlos erscheint der Mensch, während in Lucien Castaing-Taylors und Verena Paravels experimentellem Dokumentarfilm "Leviathan" (2012) Vögel und Fische wiederum machtlos gegenüber dem Zugriff durch die Menschen sind und in Massen abgeschlachtet werden.

Dem Menschen am nächsten ist dabei immer der Affe: Tarzan freundet sich mit einem Schimpansen an ("Tarzan, the Ape Man"; William S. Van Dyke, 1932) und in "Planet of the Apes" (Franklin J. Schaffner, 1968) haben Affen nach Verwüstung der Erde und Vernichtung jedes menschlichen Lebens durch einen Atomkrieg einen absoluten Staat errichtet.

Problematischer sind dagegen Kontakte mit Leoparden, wie sich in Howard Hawks´ Komödie "Bringing Up Baby" (1978) zeigt und auch in der Realität endete die vermeintliche Freundschaft mit Grizzlys für den Tierschützer Timothy Treadwell tödlich, obwohl er 13 Sommer lang in Alaska mit Grizzlybären zusammen gelebt hatte ("Grizzly Man"; Werner Herzog, 2005). Aber auch Hunde können zum gefährlichen Gegner des Menschen werden, wenn sie entsprechend abgerichtet werden, wie in Sam Fullers "White Dog" (1982) oder Kornél Mundruczós "Underdog – White God" (2015).

Aber auch von der Auflösung der Grenzen zwischen Mensch und Tier erzählt das Kino, wenn in Jean Cocteaus "La belle et la bête" (1946) der Prinz durch die Liebe einer jungen Frau von seiner tierischen Gestalt befreit und zurück in einen Menschen verwandelt wird, oder wenn sich ein Forscher in David Cronenbergs "The Fly" (1986) mit einer Fliege förmlich infiziert – es ist die Zeit der aufkommenden Aids-Angst verbreitete -, und langsam die Gestalt des Insekts annimmt.

Mit 140 kurzen, ebenso wie langen Filmen dürfte die Retrospektive im Österreichischen Filmmuseum ziemlich alle Aspekte des Themas abdecken. Vom Katzensprung in Etienne-Jules Mareys 1894 entstandenem "La chute du chat" bis zu Kelsey Kolgychs digitalem "Trash Cat" aus dem Jahre 2015 und von Walt Disneys "Bambi" (1942) über John Hustons "Moby Dick" (1956) bis zu Ulrich Seidls "Tierische Liebe" (1995) spannt sich der Bogen. Und nicht nur inhaltlich, sondern auch formal ist mit der Mischung von Spielfilmen über Dokumentarfilme bis zu Animationsfilmen unter anderem von Tex Avery und Aardman Animations große Vielfalt garantiert.