Warum boomt gefärbter Kren?

14. Februar 2011 Kurt Bracharz
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Der Japanische Meerrettich (Eutrema wasabi, früher Wasabia japonica) ist eine in Japan und auf Sachalin am Ufer kalter und mineralreicher Bergbäche wild wachsende krautige Pflanze aus der Familie der Kreuzblütengewächse oder Brassicaceae, zu denen neben so bekannten Nutzpflanzen wie den diversen Kohlarten auch der aus Osteuropa und Vorderasien stammende Meerrettich oder Kren (Armoracia rusticana) gehört. Das Wort "Wasabi" wurde früher irrtümlich mit "Gebirgsmalve" oder "Bergstockrose" übersetzt und bezeichnet in der Küche das etwa 10 cm lange Rhizom der Pflanze, das fein gerieben als scharfes Gewürz dient.

In Japan werden auch die Blätter als Spinat und die Blüten als Gewürz verwendet, aber der wichtigste Teil der Pflanze ist das Rhizom. Es enthält stechend riechende Senföle, darunter das Glucosinolat Sinigrin, das auch den Geschmack von schwarzem Senf und Kren bestimmt. Wasabi hat aber einen besonderen, frischen, ganz leicht süßlichen Eigengeschmack und ist schärfer als Meerrettich. Hirohisa Koyama schildert das Wasabi-Aroma in "Japan und seine Eßkultur" (München 1999) so: "Die Schärfe dominiert nicht den Geschmack. Sie entfaltet sich, prickelt am Gaumen und verflüchtigt sich wieder, während die Geschmackspapillen stimuliert werden und sich für das nächste aromatische Feuerwerk bereit halten."

In Japan wird das geschälte Rhizom mittels einer flachen Reibe – früher aus einer auf einem Holzbrettchen montierten Haifisch- oder Rochenhaut, heute aus Chromstahl, verzinktem Kupfer oder Plastik – fein gerieben und muss wegen der Flüchtigkeit der Senföle und weil Wasabi schnell seine schöne grüne Farbe verliert, sofort verwendet werden. Wasabipulver entwickelt sein Aroma erst etwa 10 Minuten nach dem Anrühren mit Wasser (im Verhältnis 1:1). Da Japan nicht einmal seinen Eigenbedarf an echtem Wasabi decken kann, importiert es trotz eigener Kulturen große Mengen aus Taiwan, China und den USA, wo die Pflanze zum Teil sehr erfolgreich gezüchtet wird, aber auf Grund ihrer hohen Ansprüche an fließendes Wasser und Beschattung trotzdem nicht billig produziert werden kann. Gezüchtetes Wasabi soll der Wildpflanze geschmacklich deutlich unterlegen sein, da seine Wurzeln erheblich schneller wachsen und viel größer werden.

Was in Europa zu Sushi auf den Tisch kommt, ist aber weder wildes noch gezüchtetes Wasabi, sondern fast immer nur gefärbter Kren, manchmal mit Senf oder mit einer ganz kleinen Menge Wasabipulver vermischt. Der Kren wird dafür grün gefärbt, meistens mit E 102 und E 133, also gelbem Tartrazin und Brillantblau FCF, die zusammen ein hübsches Grün ergeben – allerdings hat Tartrazin nicht gerade den besten gesundheitlichen Ruf. Aus Japan nach Übersee exportiert werden Imitate, die als "West-Wasabi" bezeichnet werden. Die Zutatenliste des in Tokyo produzierten und über die Niederlande in der EU vertriebenen "S & B Wasabi" zählt auf: 31,7 Prozent Meerrettich, Feuchthaltemittel E 420 (Sorbit), Reiskleieöl, Salz, Dextrin, 4,5 Prozent Wasabi japonica, Kartoffelstärke, Wasser, Aroma, Kurkuma, Säuerungsmitel E 330 (Zitronensäure), Verdickungsmittel E 415 (Xanthan), Farbstoff E 133 (Brillantblau FCF)
Man kann sich also durchaus den Kauf von Pseudo-Wasabi ersparen und einfach frisch gerissenen Kren in den Sojasoßen-Dip zum Sushi geben. (Konservierter Kren enthält mit Ausnahme der Färbemittel mehr oder minder dieselben Zusatzstoffe wie in Tuben abgefülltes Wasabi.)

Die englische Food-Autorin Sophie Griegson empfahl in "Kulinarischer Marktspaziergang" (München 1992) eine Mischung aus Schlagsahne und griechischem Joghurt mit etwas angerührtem Wasabi-Pulver, einem Spritzer Zitrone und einer Prise Zucker als Sauce zur Rinderbraten und Räucherfisch. Der amerikanische Fernsehkoch Emeril Lagasse hat die Zugabe von Wasabi zu Kartoffelbrei als Beilage zu gegrilltem Fisch populär gemacht. In den Supermärkten findet man mittlerweile allerlei mit "Wasabi" gewürztes Knabberzeug, von dem man sich schwer vorstellen kann, dass es auch bei einer Deklaration als Ware mit Krenzusatz solchen Zuspruch fände.