Die unterschätzte Totentrompete

21. Oktober 2013 Kurt Bracharz
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Die meisten Pilze, die auf den Vorarlberger Wochenmärkten verkauft werden, stammen aus Pilzzuchten. Von den Arten, die sich nicht züchten lassen, sondern im Freien gesammelt werden müssen, schaffen es fast nur Steinpilz, Pfifferling und (im Frühjahr) Morcheln regelmäßig bis in den Verkauf. Auf größeren Märkten wie dem Münchner Viktualienmarkt kommen noch einige andere Pilze wie Rotkappe, Krause Glucke, manchmal sogar Kaiserlinge hinzu.

Semmelstoppelpilze gab es früher auch bei uns zu kaufen, aber die Zahl der potentiellen Kunden, die den Pilz nicht kennen und nichts mit ihm anzufangen wissen, ist so angewachsen, dass er kaum noch angeboten wird. Ähnlich wird es wohl auch der Herbsttrompete ergehen. Als ich auf einem sehr gut besuchten Wochenmarkt gegen Ende der Marktstunden eine Handvoll Herbsttrompeten kaufte, sagte die Verkäuferin, ich sei an diesem Tag der erste Kunde gewesen, der Interesse an diesen Pilzen gezeigt hätte.

Dabei ist schon "Herbsttrompete" für den Pfifferling-Verwandten Craterellus cournucopioides (in älteren Pilzbüchern auch Cantharellus c.) ein Handelsname, früher nannte man ihn noch "Totentrompete", was gut zu seiner düsteren Färbung passt, aber dem Verkauf wohl nicht förderlich war.

Herbsttrompeten sind leicht zu sammeln, sie treten an ihren Standorten (vor allem in Buchenwäldern) immer in großer Zahl auf. Zu den weiteren Vorteilen dieses in älteren Pilzbüchern auch "Füllhorn" und im Volksmund "Schwarzreherl" genannten Pilzes gehört seine Unverwechselbarkeit, es gibt keinen anderen Pilz, der ihm ähnlich sieht, auch nicht der in der Literatur manchmal in diesem Zusammenhang erwähnte, ebenfalls essbare Graue Leistling.

Ebenfalls in vielen Pilzbüchern steht, dass die Herbstrompete ein Gewürzpilz sei, also einer, den man getrocknet und pulverisiert am besten zum Würzen von Saucen verwendet. Nun stimmt es zwar, dass die Totentrompete zu den Pilzen gehört, die durch Trocknung an Geschmack gewinnen, aber man kann sie durchaus auch frisch genießen. Beispielsweise schmeckt ein Salat aus gedünsteten Totentrompeten um einiges besser als der bekannte asiatische Pilzsalat aus blanchierten Judasohren.

Thuri Maag erwähnt in "Kochen mit Pilzen" (Küttigen/Aarau 1995), dass die Herbsttrompete in Frankreich nicht nur "trompette des morts", sondern auch "truffe des pauvres", also Armentrüffel heißt, und versichert, man verwende "sie am besten überall dort, wo die Begüterten Trüffel verwenden: In Fleischsaucen, Suppen, Terrinen, Füllungen. Schwarz sind sie allemal, und geschmacklich übertreffen sie zumindest jede eingemachte Trüffel. (...) Aus meinem Restaurant sind meine Klassiker wie Totentrompetenravioli an Salbeibutter, Totentrompetennudeln-Quiches oder Totentrompeten-Terrinen nicht mehr wegzudenken".

Das Buch enthält weiters Rezepte für Spaghetti mit Totentrompeten sowie für Seezungenfilets mit Totentrompeten in der Fischsauce und für Hechtwürstchen mit diesen Pilzen als Beilage. Auch Antonio Carluccio kombiniert in seinem Restaurant Fisch und Herbsttrompeten,wobei er den Schwarz-Weiß-Kontrast etwa bei Seezunge mit Totentrompeten als besonders reizvoll empfindet.

"Die Pilzküche" von Helmut und Renate Grünert (München 2011) warnt: "Durch trockene Wetterperioden, Frostnächte und nasse Tage beginnen die Pilze langsam zu verschimmeln. Diesen Pilzen sieht man ihr fortgeschrittenes Alter und ihre Konsistenz oft nicht mehr an. Alte Exemplare sollten nicht mehr gesammelt werden."

Der nordamerikanische Craterellus fallax soll ein noch kräftigeres Aroma haben als sein europäischer Verwandter.