Mander, ’s isch Zeit, das Pastern abzuschaffen!

4. Dezember 2017 Kurt Bracharz
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Unwort des Jahres 2017 könnte in Österreich das Verb "pastern" werden. Gemeint ist nicht, was im englischen Wörterbuch unter "pastern" steht ("The pastern is a part of the leg of a horse between the fetlock and the top of the hoof"), sondern der jetzt in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückte Initiationsritus am Tiroler Skigymnasium in Stams, dessen Bezeichnung sich offenbar von der Schuhpasta ableistet, mit der die Hinterteile der Neulinge eingeschmiert wurden.

Aber die Demütigungen des Pasterns gingen wesentlich weiter, ein Ex-Schüler des Gymnasiums berichtete im "Standard": "Das ist kein netter Initiationsritus, sondern da wurde ganzen Generationen mit Gewalt von mehreren meist älteren und stärkeren Sportlern die Hose heruntergerissen. Und je nachdem, wie aufmüpfig einer vorher war, bekam er Zahnpasta oder einen mehr oder weniger klebrigen Klister anal verabreicht. Das heißt, da wurde eine Tube eingeführt. Das Ärgste, was man erwischen konnte, war ein Nassschnee-Klister, ein Steigwachs für Langlaufski." (Für Nicht-Schifahrer: "Klister" ist weder Klistier noch Kleister, sondern ein anderes Wort für Schiwachs.)

Ältere Semester erinnern sich, dass es vor 15 Jahren schon einmal einen Pastern-Skandal gab, der aber damals schnell verpuffte, während sich der neue nahtlos in die #MeToo-Kampagne einfügt. Brutale und meistens sexualisierte Initiationsriten an Schulen, Universitäten und in militärischen Einrichtungen sind international immer wieder einmal bekannt geworden, vor allem, wenn es schwere Verletzungen, Totschlag oder Selbstmorde gab.

Oder wenn Institutionen betroffen waren, von denen man nicht gedacht hätte, dass es auch dort so zugehe, wie zum Beispiel an der französischen Elitehochschule, der Verwaltungshochschule Ecole Nationale d" Administration, abgekürzt ENA, deren Skandal das Wort Bizutage auch über den französischen Sprachraum hinaus für solche Quälereien bekannt machte. Die anderen berühmten und unrühmlichen Beispiele sind amerikanische Universitäten, die von späteren US-Präsidenten besucht wurden. Hier einige internationale Beispiele:

Im Jahre 1967 war der spätere US-Präsident George W. Bush in einen Skandal an der Yale Universität verwickelt, als die Neuaufnahmen der Delta Kappa Epsilon Fraternity mit einem dreieckigen Brandzeichen auf dem Rücken markiert wurden. Bush sagte aus, es habe sich dabei "nur" um Verbrennungen mittels Zigaretten gehandelt. Die Studentenverbindung wurde zur Zahlung einer Geldstrafe verurteilt.

An der Universität von Peradeniya auf Sri Lanka wurde 1997 der Student Selvanayagam Varapragash im Zuge eines sadistischen Initationsrituals unabsichtlich getötet. Bei der Obduktion fand man große Mengen von Zahnpasta in seinem Rektum.

Noch weitaus übler als alle studentischen Bizutagen sind die Dedowschtschina ("Großväter-Herrschaft") genannten Quälereien der Soldaten durch die älteren Jahrgänge beim russischen Heer, die jedes Jahr zu einer Vielzahl von Selbstmorden führen. 2005 musste man Andrej Sychjow die Beine, die Genitalien und Teile der rechten Hand amputieren, nachdem er am Silvesterabend vier Stunden lang in hockender Stellung von älteren Soldaten geschlagen und gefoltert worden war. Der Präsident Vladimir Putin forderte auf diesen Vorfall hin den Verteidigungsminister Sergej Iwanow auf, Vorschläge für die Verbesserung der Erziehungsarbeit in Armee und Flotte vorzulegen.

Im November 2005 tauchte ein privates Video im Internet auf, in dem Angehörige der britischen Royal Marines nackt und unter Drogeneinfluss miteinander kämpften. Die Soldaten waren nach einem sechsmonatigen Einsatz im Irak zwei Wochen lang für eine "Cooling down"-Phase auf einer Marinebasis stationiert. Ein Soldat brach nach einem Fußstoß an den Kopf bewusstlos zusammen. Er beschwerte sich nicht und sagte später zur BBC, "it’s just Marine humour".

Im August 2016 fügte ein holländischer Student einem anderen schwere Verletzungen zu, als er dem auf dem Boden Liegenden auf den Kopf trat und Druck ausübte. Dieses Opfer klagte, und der Täter wurde zu 31 Tagen Gefängnis, 30 davon bedingt, 240 Stunden unbezahlte Sozialarbeit und 5066,80 Euro Schmerzengeld verurteilt.

2017 starb Tim Piazza nach groben Misshandlungen durch Mitglieder der Beta Teta Pi Fraternity der Pennsylvania State University, weil erst zwölf Stunden nach der Attacke ein Arzt gerufen wurde. Acht der 18 Angeklagten wurden wegen Totschlags, 10 wegen Körperverletzung verurteilt.

Mit diesen krassen Beispielen für die verbreitete Misshandlung von Neuzugängen in Männerbünden soll nun nicht das Pastern relativiert werden, sondern eher die Vermutung ausgesprochen werden, dass der Mensch doch nicht vom Affen abstammt, denn bei denen werden nie die eigenen Artgenossen so malträtiert, hier hat die Evolution deutlich einen Rückschritt gemacht.