Eindringliche Bilder einer Kindheit und Jugend – oft manchmal nie

Es ist der erste Roman von Cornelia Hülmbauer – mit Lyrik und Kurzprosa trat sie bislang hervor – und auch wenn diese literarische Gattung auf den ersten Blick nicht unbedingt zutreffend erscheint, spätestens beim Lesen eröffnet sich eine äußerst intensive, spannende Geschichte mit schlüssigem Plot vom Aufwachsen in einer intakten Familie, den ersten Männern, bis zum Auszug als Studentin. "So dicht ist ihr Textgewebe und so präzise ihre Beschreibungen, dass Gerüche, Geschmäcker, Gefühle und Sehnsüchte geradezu körperlich spürbar werden", steht treffend im Verlagstext.

Der Vater betreibt eine Autowerkstätte, die Mutter hilft mit, Großeltern leben im Verbund und einen Bruder gibt es auch. "darf ich auf deinen füßen gehen?, fragte ich den vater. darf ich auf deinem rücken reiten?, fragte der bruder ihn." Die Autorin bleibt bei Kleinschreibung, doch das gibt den Textpassagen eher noch mehr Poetik. Eindringliche Bilder entstehen im Kopf und man könnte die Szenen lange noch wortgetreu wiedergeben, so einprägsam sind sie. Unprätentiös und treffend schildert die Ich-Erzählerin Begebenheiten aus Alltagssituationen im Familienbetrieb, beim gemeinsamen Essen oder über die Wirkung von Dahingesagtem und Redewendungen. "bis zum heiraten wird’s wieder gut, sagte die großmutter, wenn ich mir im hof die knie aufgeschlagen hatte." "urschel du, sagte die mutter und tätschelte meinen kopf, hiasl du, sagte die mutter und streichelte dem bruder über die locken."

Momentaufnahmen und Gedächtnisbilder lassen in pubertäre Befindlichkeiten eindringen: "beschließen alle mädchen einmal, auszureißen? kommen alle mädchen wieder, bevor jemand sie hätte suchen können?" "weil sie nicht weiterwissen? weil sie nicht wissen, wie weiter?" Oder drastisch, ungeschönt: "manchmal spielte ich mit meinen barbies vergewaltigung. meistens wollte dann die freundin nicht mitspielen."

Man könnte immer weiter und weiter lesen, doch endet die liebevoll erzählte Geschichte einer Jugendzeit am Land mit dem Weggang: "als ich zum studieren in die große stadt ging, gab es das geschäft noch. als ich als frau magister wiederkam, nicht mehr. das schild der automarke an der hausfassade blieb." Aber auch dann will man das Buch nicht beiseite legen, es bleibt Begleiter, mit zufällig aufgeblätterten Erinnerungspassagen, die erheitern und die eigene Vergangenheit berühren.

Cornelia Hülmbacher
ist 1982 in Niederösterreich geboren, Studium der Anglistik und Kunstgeschichte in Wien und Malta sowie der Sprachkunst an der Universität für angewandte Kunst Wien, Promotion über europäische Mehrsprachigkeit. Zahlreiche Veröffentlichungen von Lyrik und Kurzprosa in Zeitschriften und Anthologien. 2018 erschien ihr Lyrikdebüt "MAU OEH D" bei Sukultur, Berlin.

Cornelia Hülmbauer
oft manchmal nie
Hardcover, 192 Seiten
125x205 cm
ISBN 978 3 7017 1770 5
Residenzverlag, 2023