Textile Märchen

Das MAK besitzt eine qualitätvolle und variationsreiche Sammlung osmanischer Textilien. Eine repräsentative Auswahl dieses Bestandes wird erstmals in der Ausstellung "Textile Märchen" zu sehen sein. Kunstvolle Stickereien des 16. und 17. Jahrhunderts gehören ebenso dazu wie dekorative Tücher, raffiniert bestickte Turbanabdeckungen, aufwändig gemusterte Seidengewebe und ein seidenes, subtil besticktes Festkleid aus dem 18. Jahrhundert.

Die im MAK gezeigten Textilien sind nicht nur auf dem Gebiet des ehemaligen Osmanischen Reiches entstanden, das über die heutige Türkei hinaus u.a. Länder des Nahen Ostens und Nordafrikas umfasste; einige Objekte stammen aus dem von der Dynastie beherrschten europäischen Teil des Reiches, zu dem zeitweilig Länder wie Griechenland, Rumänien, Bulgarien, Ungarn, Serbien oder Armenien gehörten und das – zuletzt 1683 – fast bis nach Wien reichte. In der Hauptstadt des Imperiums, Konstantinopel/Istanbul, gab es Hofwerkstätten, in denen – vornehmlich für den Herrscher und sein Gefolge – Teppiche geknüpft und Stoffe bestickt wurden. Das Zentrum der Seidenweberei lag in Bursa, 90 Kilometer südlich der Hauptstadt, während die Gegenden um Uschak, Konya, Gördes oder Bergama für ihre Knüpfteppiche und Stickereien bekannt waren.

Seit dem 15. Jahrhundert galten osmanische Teppiche, Seiden und Stickereien in Europa als überaus begehrtes Handelsgut und waren beliebte Geschenke, so wie umgekehrt italienische Seiden oder deutsche Goldschmiedearbeiten am Osmanischen Hof. Einige der im MAK präsentierten osmanischen Textilien stammen aus Hofwerkstätten, der größere Teil allerdings aus städtischen Manufakturbetrieben, in denen vor allem Männer beschäftigt waren. In der Ausstellung ebenfalls zu sehen sind Stickereien, die für den häuslichen Gebrauch von Frauen hergestellt wurden. Das Musterrepertoire umfasste phantasievolle Pflanzendarstellungen in Form von Ranken, Sträußen und einzelnen, naturalistisch gestalteten Blüten – darunter Tulpen, Narzissen, Nelken oder Zypressen –, aber auch kleine Architekturen.

Wandbehänge und Überhänge, Polsterbezüge, Tablettdeckchen, bestickte Handtücher und Servietten: Stickereien waren in ihrer konkreten Funktion integrierender Bestandteil des täglichen Lebens und gehörten vor allem für besondere Gelegenheiten, wie Hochzeiten, Beschneidungen oder Begräbnisse, zur Ausstattung einer Familie. Tücher und Schärpen aus mit Seide und Metallfäden besticktem hauchzarten Leinen- oder Baumwollgewebe ergänzten die Festtagskleidung und unterstrichen Reichtum und Geschmack ihrer städtischen wie ländlichen Besitzer. Geschenke überreichte man eingeschlagen in ausgewählte Textilien, Männer- und Frauenkleider aus kostbaren, kompliziert gewebten Seiden galten als begehrte Gaben für hochrangige Würdenträger.

Die Schau "Textile Märchen. Osmanische Textilien im MAK" in der MAK-Studiensammlung Textil ergänzt in kongenialer Weise die Ausstellung "Global:Lab. Kunst als Botschaft. Asien und Europa 1500–1700", die bis 27. September 2009 in der MAK-Ausstellungshalle zu sehen ist und sich umfassend mit dem Thema Kunst- und Wissenstransfer zwischen Orient und Okzident an der Wende zur Neuzeit beschäftigt.


Textile Märchen
1. Juli 2009 bis 7. Februar 2010