Bilder einer Epoche

Als Gerhard Richter, heute international hochgeschätzt wie kaum ein anderer Künstler, Anfang der sechziger Jahre in den Westen übersiedelt war, setzte er sich mit der für ihn neuen Welt auseinander: in der Werkgruppe der großformatig gemalten Photos. Heute ist in der Gesamtheit dieser Arbeiten das Bild einer Epoche zu entdecken. Das Bucerius Kunst Forum widmet dieser Phase Gerhard Richters seine erste Ausstellung in 2011 und eröffnet damit die Folge der internationalen Ausstellungen zu seinem 80. Geburtstag im Jahr darauf.

Das kontinuierlich im Lauf von 45 Jahren entstandene, große malerische Werk dieses Künstlers haben in den letzten Jahren Ausstellungen gewürdigt, die einzelne charakteristische Themenkomplexe untersuchten, etwa die Landschaften (Hannover 1998), die Bilder nach Bildern (Humlebæk, Dänemark 2005), die Abstraktion (Köln 2008), die Übermalten Photographien (Leverkusen 2008) oder die Bildnisse (London 2009). Nun ist es an der Zeit, sich intensiver mit den gemalten Photos der sechziger und siebziger Jahre zu befassen, um sie vor dem Hintergrund des zeitgeschichtlichen Kontextes wesentlich neu zu verstehen. Tatsächlich sehen wir heute in der Gesamtheit von Richters frühen Werken das Bild einer Epoche aus der Perspektive eines Zeitzeugen. So untersucht die Ausstellung die mit Hilfe der Photographie und ihrer malerischen Wiedergabe geschaffenen Bilder nach ihren historischen und ihren aktuellen Bezügen.

Bislang noch nicht veröffentlichte Bildmaterialien und Texte aus dem Gerhard Richter-Archiv in Dresden, das als Kooperationspartner an dem Projekt mitwirkt, ermöglichen einen neuen Blick auf die Komplexität der Richterschen Bildwelt, in der sich das Banale und das Böse begegnen: die Träume und Sehnsüchte der Zeit, schnelle Autos oder Urlaubsreisen, die persönlichen Erinnerungen, die beklemmende Vergangenheit, die aktuelle Politik sowie auch die trivialen, gleichwohl vielsagenden Gebrauchsgegenstände des Alltags, darunter ein Wäschetrockner oder ein falscher Kronleuchter. Zum Verständnis der Erinnerungsqualität der Bilder aus den sechziger und siebziger Jahren ist der Zyklus «18. Oktober 1977» (1988) zum Tod der RAF-Mitglieder in Stammheim von zentraler Bedeutung. Als Leihgabe des New Yorker MoMA kommt dieses spektakuläre Hauptwerk Richters noch einmal nach Deutschland und bildet den Höhepunkt der Ausstellung.

Die von Gastkurator M. Schneede, ehemaliger Direktor der Hamburger Kunsthalle, vorbereitete Schau umfasst ca. 50 Leihgaben aus deutschen und internationalen Sammlungen. Die Ausstellung ist vom 5. Februar bis 15. Mai 2011 täglich von 11 bis 19 Uhr geöffnet, donnerstags bis 21 Uhr. Der Katalog zur Ausstellung erscheint im Hirmer Verlag, München. In Kooperation mit der Ausstellung findet in der Hamburger Kunsthalle die Ausstellung «Unscharf – Gerhard Richter und die Folgen» vom 11. Februar bis 15. Mai 2011 statt.

Gerhard Richter. Bilder einer Epoche
5. Februar bis 15. Mai 2011